Bahnfahrer stranden: „Es fährt nichts, komplett nichts“

Düsseldorf/Köln (dpa) - Es sind lange, sehr lange Gesichter an den Bahnhöfen. „100 Minuten Verspätung“ steht da auf der Anzeigetafel am Düsseldorfer Hauptbahnhof neben der Abfahrtszeit. Wer auf diesen Zug setzt, hat noch Glück.

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Denn neben den meisten Zügen steht der Hinweis „Zug fällt aus“. Reisende schauen immer wieder abwechselnd auf die Anzeige in der Eingangshalle und auf ihr Mobiltelefon - als könne ihnen das Gerät jetzt helfen. Dann schallt eine eilige Durchsage durch die Halle: „Auf Gleis 10 fährt in wenigen Minuten ein ICE nach Frankfurt ein.“ Die Masse setzt sich in Bewegung.

Sturmtief „Niklas“ hat Zehntausenden Pendlern in Nordrhein-Westfalen am Dienstag den Feierabend vermasselt. Es zog über das Land hinweg, beschädigte Gleise und Oberleitungen, brachte die Fahrpläne der Bahn durcheinander und die Hotline zum Glühen.

Schließlich kapitulierte die Deutsche Bahn und stellte den Nahverkehr in dem Pendlerland für den kompletten Tag ein. Glück hatten nur Fahrgäste einzelner Fernverbindungen und Reisende in den privat betriebenen Zügen. Die anderen konnten nur mit Taxis, Mietwagen, Taxis oder Bussen an ihr Ziel gelangen.

Etwa 1,3 Millionen Reisende nutzen in NRW täglich die Busse und Bahnen der Deutschen Bahn. „Zum Glück fährt mein Zug“, freut sich ein Berufspendler. Der 50-Jährige arbeitet in Düsseldorf und muss nach Viersen am Niederrhein. 30 Minuten Verspätung hat seine Bahn. „Ja, das ist ja fast normal.“

Gelassen gibt sich eine 57-jährige Frau am Kölner Hauptbahnhof. Dem Unwetter begegnet sie mit Sarkasmus: „Ich habe ein NRW-SchönerTagTicket gebucht, es sollte eigentlich ein schöner Tag werden“, sagt sie und nippt an ihrer Tasse. Ihre Fahrt nach Gütersloh falle nun wohl ins Wasser. „Immerhin habe ich kein Geschäftstermin. Nur der tibetische Masseur, der geht uns jetzt durch die Lappen.“ Ihre 56 Jahre alte Begleiterin entscheidet: Die beiden Frauen aus Köln kehren um, zurück nach Hause.

Vor dem Infoschalter schiebt sich die lange Warteschlange nur langsam voran: Koffer-Kolonnen, Smartphone-Tipper, Telefonierer mit sorgenvollem Blick. Ganz hinten, direkt vor den Eingangstüren, fragen sich drei Teenager-Mädchen: „Ist das das Ende der Schlange?“ Andere drehen frustriert ab. Zwei junge Männer wollen nicht selbst für die Kosten einer Extrafahrt aufkommen: „Alter, ich habe keinen Bock in Vorleistung zu gehen.“

Einige Bahn-Mitarbeiter haben sich in der Wartehalle am Kölner Hauptbahnhof kurzerhand zur menschlichen Informationssäule umfunktioniert. Ein Mann diskutiert hitzig mit einem Schaffner. An einer anderen Stelle steht eine 20-Jährige mit roter DB-Umhängetasche um die Schultern, Stift, Block, Tablet-Computer. Sichtlich bemüht jongliert sie die Anfragen, auf Deutsch, auf Englisch. Frage um Frage, und sie kann doch nur das eine sagen: „Es fährt nichts, komplett nichts“.

Zum Feierabend hin leises Aufatmen in der Domstadt - wenigstens bei den Reisenden auf den Fernverbindungen. „Wir hatten uns rechtzeitig informiert, es war immer klar, dass unser Zug fährt“, sagt ein 49-jähriger Vater, der mit seiner Familie in den Urlaub nach Paris will. Nervös sei er angesichts der vielen ausgefallenen Zügen nicht geworden. „Nur zwischendurch, als meine Frau mir Mails schickte, was alles zusammenbricht.“

Anders sieht es am Nachmittag im Nahverkehr aus: Noch immer bilden sich größere Menschentrauben um die Bahnhofsmanager mit ihren orangen Warnwesten. Eine Frau hofft, noch einigermaßen rechtzeitig nach Hause zukommen. „Die Bahn soll bald anlaufen. Vom Gefühl her in der nächsten halben Stunde“, sagt der Bahnhofsmanager. „Heute würde ich aber eher sagen: „bald“ ist in zwei Stunden.“