Bericht: Schwarzafrikaner in Libyen in Not

Ras Ajdir (dpa) - Inmitten des Flüchtlingsdramas in Libyen spielt sich eine besondere Tragödie ab: Die etwa 100 000 schwarzen Gastarbeiter aus den Ländern südlich der Sahara müssen nach Ansicht von Menschenrechtlern ganz dringend raus aus Libyen.

Denn sie werden für Söldner gehalten.

Augustine Emianah steht Schlange, um seine Eltern in Ghana anzurufen. Das Zeltlager, in das er sich mit tausenden anderen geflüchtet hat, liegt in Tunesien - zehn Kilometer von der libyschen Grenze entfernt. Wie die meisten der 1000 Ghanaer, die sich im Osten Tunesiens in Sicherheit gebracht haben, hatte Emianah nicht damit gerechnet, dass er Libyen so bald wieder verlassen würde.

Erst im vergangenen Jahr hatte der 30-jährige Stuckateur seine Heimatstadt Accra auf der Suche nach Arbeit verlassen. Auf verschlungenen Wegen kam er über Burkina Faso und Niger nach Libyen, das er schließlich zu Fuß erreichte. „Es war kein leichter Weg“, erzählt er. „Aber ich dachte, es würde sich lohnen. Ich wollte mehrere Jahre in Libyen bleiben, Geld verdienen, um es meiner Familie nach Hause zu schicken.“

Aber weniger als ein Jahr nach seiner Ankunft in Libyen haben ihn die Unruhen in die Flucht geschlagen - und der wachsende Argwohn, dem sich Migranten aus Ländern südlich der Sahara in Libyen in diesen Tagen ausgesetzt sehen. Viele werden für Söldner im Dienste von Machthaber Muammar al-Gaddafi gehalten.

Bepackt mit einer Reisetasche mit Handy, CD-Player, Radio und Geldbörse hatte er sich auf den Weg gemacht. In Tunesien angekommen, waren die Kleider, die er am Leib trug, das einzige, was er noch besaß. „Als wir die Grenze erreichten, nahmen uns die Sicherheitsleute alles ab“, sagt er.

Andere Westafrikaner im Lager haben ähnliche Geschichten zu erzählen. Unter den Eukalyptusbäumen, die am Rand dieses armseligen Wüstenstreifens gedeihen, zwischen Dattelpalmen, Aloe-Vera-Pflanzen und wachsenden Müllbergen tauschen sie Erinnerungen aus an das, was sie verloren haben.

Sie sind nur ein kleiner Teil der Wanderarbeiter aus den Ländern südlich der Sahara. Nach Angaben des UNHCR, des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen, arbeiteten bis vor kurzem etwa 100 000 von ihnen in Libyen - legal oder illegal.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sieht sie in einer ganz besonderen Notlage. „Die afrikanischen Arbeiter aus der Subsahara müssen ganz dringend heraus, wegen der Bedrohungen, denen sie in Libyen ausgesetzt sind“, sagt Peter Bouckaert, Krisendirektor von Human Rights Watch. Sie seien angesichts der Berichte, dass Staatschef Gaddafi schwarze Söldner auf Regimegegner loslasse, besonders gefährdet.

„Wir erlebten Rassismus von beiden Seiten“, sagt Emianah. „Die Regierung mag uns nicht, weil wir schwarz sind, und die anderen (die Regime-Gegner) haben Angst vor uns, weil wir schwarz sind. Wir hatten keine andere Wahl als zu gehen.“

Für Kwame Apeah war das Leben als Wanderarbeiter in Libyen in Ordnung - bis vor etwa zwei Jahren. „Die erste Zeit nach meiner Ankunft war fantastisch. Ich hatte eine feste Arbeit, was in Ghana selten der Fall war, und ich hatte libysche Freunde.“ Aber dann sei die Polizei in Tripolis hart gegen schwarze Arbeiter vorgegangen. „Sie beschuldigten uns, wir wollten nach Italien abhauen. Einige Freunde wurden verhaftet und ins Gefängnis geworfen, einem wurde sogar in den Arm geschossen“, fügt er hinzu.

Der 27-jährige Franco Apoko, auch er Wanderarbeiter, erzählt: „Ich werde mit leeren Händen nach Ghana zurückkehren.“ Erst habe er sich Sorgen gemacht, was seine Familie denn denken würde. „Aber dann merkte ich, das ist nicht wichtig. Ich habe kein Geld gespart, als ich dort war, aber mein Leben, das habe ich gerettet.“

Tausende von afrikanischen Migranten wissen noch immer nicht, wie sie aus Libyen herauskommen können. „Es gibt Hunderttausende von afrikanischen Arbeitern in Libyen, und bisher haben es nur sehr wenige bis zur Grenze geschafft“, sagt UN-Flüchtlingskommissar António Guterres dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira.

Auf der anderen Seite des Lagers singt der 32-jährige Charles Chuka aus Nigeria: „Oh, mein Zuhause, meine Heimat. Wann kann ich Dich wiedersehen?“ Eine Gruppe von Wanderarbeitern aus Bangladesch schaut wortlos zu, während sie nach Lebensmittelrationen Schlange stehen.

Gemessen an den vielen Menschen aus Bangladesch, die auf ihre Ausreise warten, sind die Nigerianer nur eine kleine Gruppe von ein paar hundert - aber sie machen auf sich aufmerksam. Am Samstag forderten sie die nigerianische Regierung mit lautstarkem Protest auf, ihnen bei der Rückkehr in die Heimat zu helfen.

„Wir sind schon zwölf Tage hier, aber keiner redet von uns“, sagt Chuka. „Die meisten Ägypter sind längst weg. Was soll aus uns werden?“ Einige versuchten, tiefer nach Tunesien hineinzukommen, um anschließend nach Europa zu gelangen. Für ihn ist das keine Lösung: „Wir wollen einzig und allein nach Nigeria zurück.“

Und wenn in Libyen wieder Ruhe einkehren sollte? „Ich würde nicht mehr zurückgehen“, sagt er. „Ich bin nach Libyen gegangen in der Hoffnung, ein paar tausend Dollar zu verdienen. Aber ich würde nicht wieder zurückkehren, selbst wenn sie mir eine Million geben würden.“