Bordcomputer sagt Nein: Cockpit-Elektronik ist Fluch und Segen

Köln/Frankfurt (dpa) - Fliegen wird immer sicherer - auch dank laufend verbesserter Technik. Die weltgrößten Flugzeugbauer Boeing und Airbus feilen beständig an den Feinheiten ihrer Modelle: Immer zuverlässiger sollen sie werden - und die Statistik gibt ihnen Recht.

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Doch seit der Vorstellung des Mittelstreckenjets Airbus A320 mit seinem elektronischen Steuerungsprinzip herrscht ein Glaubenskrieg zwischen Boeing- und Airbus-Anhängern: Soll die Technik den Piloten kontrollieren oder der Pilot die Technik?

Nach den Unglücken malaysischer Fluglinien 2014 und dem Absturz der Germanwings-Maschine mit 150 Toten am Dienstag ist Flugsicherheit ein großes Thema. Wie konnte der Malaysian-Airlines-Flug MH370 einfach verschwinden? Warum zog die AirAsia-Maschine Ende Dezember steil nach oben, bevor sie in die Javasee stürzte? Haben die Piloten Fehler gemacht - oder hat ihnen die Technik einen tödlichen Streich gespielt? Noch gibt es keine Antworten auf diese Fragen.

Allerdings ist das Fliegen in den vergangenen Jahrzehnten um ein Vielfaches sicherer geworden. Mussten Passagiere im Jahr 1959 noch bei einem von 25 000 Abflügen in den Vereinigten Staaten und Kanada mit einem tödlichen Absturz rechnen, liege das Risiko in den USA und der EU heute bei 1 zu 29 Millionen, heißt es in einer Studie des Versicherers Allianz, der auch den Germanwings-Flug maßgeblich versichert hat. 70 Prozent der tödlichen Flugunglücke seien auf menschliches Versagen zurückzuführen.

Airbus führt die Verbesserungen auch auf das von ihm etablierte Prinzip „Fly by Wire“ zurück: „Die Flugsicherheit wurde deutlich gesteigert, und die Arbeitsbelastung der Besatzung ist gesunken“, wirbt das Unternehmen.

Steuerte der Pilot Ruder und Klappen klassischerweise über Stahlseile, Stangen oder Hydraulik, übermittelt bei allen heutigen Airbus-Jets der Cockpit-Computer die Befehle elektronisch an die entsprechenden Stellen des Flugzeugs.

Schon der erste Airbus A320, der 1988 ausgeliefert wurde, verfügte über diese Technik. Statt des Boeing-typischen Steuerhorns bekam der Airbus-Pilot einen Sidestick in die Hand - ähnlich dem Joystick beim Computerspielen. Will er den Jet zu steil nach oben ziehen oder droht er die Maschine zu überlasten, verhindert das der Airbus-Bordcomputer. Auch Boeing hat solche Systeme eingeführt, den Anfang machte der Langstreckenjet 777.

Doch die Modernisierung hat Schattenseiten. „Die Technik ist Fluch und Segen zugleich“, sagt Markus Wahl, Pilot bei Lufthansa Cargo und Sprecher der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC). „Die Helfersysteme sind gut und wichtig, allerdings muss man auch die Nachteile kennen.“

Was ist etwa, wenn der Computer falsche Signale bekommt? Im Jahr 2009 stürzte ein Airbus A330 der Air France ab, nachdem der Bordcomputer offenbar wegen eingefrorener Geschwindigkeitsmesser, der Pitotsonden, die Steuerung an die Piloten abgegeben hatte. Die Besatzung schien von widersprüchlichen Tempoanzeigen und Warnungen des Cockpitsystems überfordert - der Jet stürzte vor Südamerika in den Atlantik.

Erst Anfang November versetzte der Bordcomputer einen Lufthansa-Airbus A321 nach dem Start in Bilbao in einen konsequenten Sinkflug - wegen Eiskristallen in den Pitotsonden. Von außen muss das ähnlich ausgesehen haben wie bei dem Germanwings-Airbus in den Minuten vor dem Aufprall.

„Man kann nicht ausschließen, dass das bei Germanwings ein ähnlicher Fall war“, sagt Pilot Wahl. Allerdings hat das Unternehmen dies bereits ausgeschlossen. Bei dem Lufthansa-Jet im November gewannen die Piloten die Gewalt über die Maschine rechtzeitig wieder zurück, indem sie den Computer abschalteten.

Längst raten Experten, dass Piloten wieder öfter manuell fliegen. „Ein kontinuierliches Training der Piloten mit und ohne Automatisierungstechnik ist wichtig. Das Handwerk der Flugzeugführung sicher zu beherrschen ist nach wie vor unerlässlich“, sagt Josef Schweighart, Luftfahrtexperte bei der Allianz-Tochter AGCS. Die Pilotengewerkschaft VC forderte am 6. November, diese Fähigkeiten der Piloten stärker zu schulen. Das war einen Tag nach dem Fast-Absturz des Lufthansa-Airbus.