Tragödie an der Polizeisperre Brachiale Flucht kostet zwei Polizisten das Leben
Müllrose (dpa) - Der Fluchtwagen steckt im Feld fest, rund 20 Meter von der alten Allee entfernt. Direkt hier am Ortsrand von Oegeln im brandenburgischen Kreis Oder-Spree will die Polizei einen mutmaßlichen Gewaltverbrecher stoppen.
Doch der Täter weicht aus, will über einen Radweg flüchten - und überfährt die beiden Beamten. Beide Polizisten sind auf der Stelle tot. „Der schien, als wenn er voll unter Stoff stehen würde“, sagt Anwohner Christian Stockenberg.
Wie kam es dazu? Nach ersten Ermittlungen hatte der 24-Jährige seine Oma in ihrem Haus in dem nur zwölf Kilometer entfernten Müllrose getötet. Das kleine Haus mit gelben Mauern und einem roten Dach macht einen freundlichen Eindruck, ist sehr gepflegt. In den Fenstern hängen Gardinen mit weißen Ornamenten.
Aber am Straßenzaun flattert am Dienstag das weiß-rote Absperrband der Polizei. Kriminaltechniker der Spurensicherung mit weißen Schutzanzügen und schwarzen Koffern betreten an dem sonnigen Tag das Haus, um Spuren eines Gewaltverbrechens zu sichern. Alles wird genau untersucht, Beweismaterial wird in beigefarbene Säcke gepackt und an der Hauswand zwischengelagert. Am frühen Abend tragen zwei dunkel gekleidete Bestatter-Mitarbeiter einen Holzsarg mit der Leiche schweigend hinaus.
Ein Mann, der am Abend eine Karte in den Briefkasten der Oma werfen wollte, kann die Szene erst gar nicht fassen. Nach seinen Angaben soll die alte Frau am Dienstag Geburtstag gehabt haben. Eine Frau, die zwei Straßen weiter wohnt, schiebt am Tatort langsam einen Kinderwagen vorbei. „Sonst hört man sowas ja nur aus der Großstadt. Hier in Müllrose - das hätte ich nicht gedacht.“
Nach Ermittlungen der Polizei hatte der Enkel nach der Tötung der Großmutter den Wagen der Oma genommen, um zu flüchten. Die alarmierte Polizei löst eine Großfahndung aus. Die dicken Bäume am Straßenrand bei Oegeln bilden eigentlich optimale Möglichkeiten, um einen Autofahrer anzuhalten. Die Beamten legen ein Nagelbrett quer über die Fahrbahn. Es hilft nichts. Die beiden Polizisten sterben. Am frühen Abend fahren hier zwei Leichenwagen vor.
Doch selbst dann gibt der 24-Jährige nicht auf. Der junge Mann habe noch ein anderes Auto gekapert, und damit seinen eigenen Wagen gerammt, berichtet Anwohner Christian Stockenberg. „Ich stand dem Täter Auge in Auge gegenüber und stand dann wie festgewurzelt da. Ich bin froh, dass mir nichts passiert ist.“
Mit Vollgas sei der Mann danach weiter geflüchtet - bis in ein nahes Schilfgebiet. Aus Feuerwehrkreisen heißt es, der neue Wagen des 24-jährigen habe sich auf Flucht dann überschlagen. „Ich habe den Krach heute Nachmittag gehört und mich erst gar nicht mehr aus dem Haus getraut“, erinnert sich Rentner Rudi Zucker.
Der Ort, wo die beiden Polizisten starben, ist am Nachmittag weiträumig abgesperrt. Die kleine Ortschaft Oegeln mit rund 180 Einwohnern erscheint wie verwaist. Eine Anwohnerin sagt nur: „Um Gottes Willen, die armen Polizisten.“ Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter, der die Abläufe während einer Pressekonferenz erläutert, ist selbst kreidebleich. Regierungschef Dietmar Woidke (beide SPD) besucht am Nachmittag Kollegen der getöteten Polizisten. Rentner Zucker sagt nur noch: „Die Welt ist restlos verrückt geworden.“