Spannung steigt Clintons Bühne, Trumps Arena
Hempstead (dpa) - Schwarze Vorhänge schlucken jeden Lichtstrahl. Nur die Bühne ist hell. An den Seiten erstrahlen zwei amerikanische Flaggen, in ihrer Mitte prangt ein Weißkopfseeadler. Weiße Sterne, blauer Teppich.
Mehr Guckkasten als Arena.
Da vorne werden sie stehen. Donald Trump auf der linken Seite, Hillary Clinton auf der rechten.
Die Anspannung ist greifbar, ein Moment wie das Knistern im Kino, bevor der Film beginnt. Es ist kühl, fast schon kalt, die Klimaanlage läuft seit Stunden, sie wird noch weiterlaufen, weil so viel technisches Gerät im Raum steht. Um die tausend Zuschauer haben Platz. Sonst wird hier, auf dem Campus der Hofstra University in Hempstead (New York), Basketball gespielt.
Noch wird geprobt. Mitarbeiter aus Trumps Team prüfen Ton und Kamerawinkel. Ihre Blicke sind ernst, die Arme verschränkt. Draußen vor der Halle ziehen Kameramänner schweres Equipment hinter sich her. Polizisten mit beigen Hüten beäugen jeden, der an ihnen vorbeigeht. Etliche Freiwillige in blauen T-Shirts wuseln durch die Gegend.
Sarah Gerwens ist eine von ihnen. Die 20-Jährige stammt eigentlich aus Dortmund, studiert aber auf Long Island. Seit Sonntagnachmittag ist sie auf den Beinen. Um die achthundert Studenten haben sich um die Helferposten beworben, nur etwa dreihundert wurden genommen. „Es ist toll, dass hier auf dem Campus Politik gemacht wird“, sagt Gerwens. „Das ist eine Wahl, von der viel abhängt.“
Zwei Monate hatte die Universität Zeit, sich auf das Spektakel vorzubereiten. Im Juli bekam man die Zusage. Die ursprünglichen Veranstalter hatten abgesagt, Hofstra war am Zug. Schon in den vergangenen beiden Wahlkämpfen war die Hochschule Austragungsort für Debatten. Barack Obama traf hier 2008 auf John McCain, 2012 begegnete er am selben Ort Mitt Romney.
Aber diesmal sei alles größer, sagt eine Mitarbeiterin.
Clinton und Trump polarisieren. Die Achterbahnfahrt der vergangenen Wochen steuert auf ihren höchsten Punkt zu. Nach all den Umfragen, all dem Drama, all den Spekulationen kommt es zum ersten echten Schlagabtausch der Demokratin mit dem Republikaner.
Am Morgen davor diskutieren beide Seiten noch darüber, ob der Moderator Lester Holt die Aussagen der Kandidaten einem Faktencheck unterziehen sollte. Trump ist dagegen. Seine Beraterin Kellyanne Conway sagt dem Sender MSNBC, es sei besorgniserregend, dass das Clinton-Lager von Moderatoren verlange, Trump zu korrigieren. Sie spricht von einer Einflussnahme auf die Medien. Clintons Wahlkampfmanager Robby Mook sagt NBC: „Wir verlangen nur von Donald Trump, dass er sich an die Fakten hält.“
Der Kampf um die Deutungshoheit hat längst begonnen.
Manche sprechen von der wichtigsten TV-Debatte in der Geschichte der USA. Andere vergleichen es mit den legendär gewordenen Boxkämpfen zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier. Um Punkt 21.00 Uhr Ortszeit (3.00 Uhr MESZ) könnten Millionen Menschen gleichzeitig vor den Bildschirmen sitzen. In Zeiten des Internets ist so etwas selten geworden. Kollektive Fernsehereignisse gibt es fast nur noch zu großen Sportwettkämpfen.
Das TV-Duell ist ein gigantisches Medienereignis. Auf dem Campus der Universität reiht sich ein Übertragungswagen an den nächsten. Mehr als tausend Journalisten sind vor Ort. In Sekundenschnelle werden sie das Gesagte zerlegen, sich die Einzeiler für die schnelle Verbreitung im Internet herauspicken. Eine Analyse in Echtzeit, milliardenfach multipliziert auf Handydisplays weltweit.
Die beiden Kandidaten auf der Bühne werden von alldem nichts mitbekommen. 90 Minuten lang sind sie auf sich allein gestellt.
Der Moderator Lester Holt wird Clinton die erste Frage stellen, zwei Minuten darf sie sprechen, dann ist Trump an der Reihe. Anschließend sollen beide für zehn Minuten miteinander diskutieren. Dann kommt der nächste Block.
Trump wird nachgesagt, dass er die Stimmung in einem Raum sehr genau lesen kann. Wenn er merkt, dass er ein Publikum verliert, improvisiert er. Wenn ihm ein Satz besonders gut gefällt, dreht er sich einmal um die eigene Achse.
Aber auf das Publikum kann er diesmal nicht setzen. Die Zuschauer im Saal müssen schweigen, Buhen und Klatschen sind tabu. Nur die Bühne ist erhellt.