„Blaue Briefe“ aus Brüssel Das Vertragsverletzungsverfahren der EU
Brüssel/Berlin (dpa) - Hat ein Mitgliedstaat der Europäischen Union Regeln der Gemeinschaft gebrochen oder versäumt, diese richtig umzusetzen? Diese Frage klärt das Vertragsverletzungsverfahren.
Zunächst schickt die EU-Kommission in Brüssel ein Mahnschreiben an das betreffende Land und bestimmt eine Frist zur Nachbesserung. Wird aus Sicht der Behörde nicht ausreichend Abhilfe geschaffen, kann eine Klage der Kommission am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg folgen. Artikel 258 des Lissabon-Vertrags legt dieses Vorgehen fest.
Erkennt auch das höchste EU-Gericht einen Vertragsverstoß, muss der beklagte Staat diesen beheben. Sonst kann der EuGH hohe Geldstrafen verhängen. In der Vergangenheit gab es etliche solcher Fälle. Nun dürfte der Streit um die Auslegung von EU-Regeln zum Ausstoß von Stickoxiden im Autoverkehr zu einem weiteren Verfahren führen.
Die Autoindustrie war schon häufiger betroffen. Beispiele sind der Konflikt um Klimaanlagen-Kältemittel bei Daimler oder die Klage gegen das VW-Gesetz. Letzterer Fall kam auch vor den EuGH, der im Oktober 2013 nach gut zehn Jahren Dauerstreit die Sonderstellung des Landes Niedersachsen bei Europas größtem Autobauer bestätigte.
Die Kommission als Wächterin über die EU-Verträge sah zudem die deutschen Maut-Pläne kritisch, weil im ursprünglichen Konzept von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ausländische Autofahrer im Vergleich zu deutschen diskriminiert würden. Erst vor kurzem konnte der Streit beigelegt werden. Auch bei der Strom- und Gasrichtlinie der EU hatte es einen „blauen Brief“ aus Brüssel gegeben. Ähnliches geschah in Zusammenhang mit den Gemeinschaftsregeln zum einheitlichen europäischen Luftraum oder zum besseren Nitrat-Schutz von Gewässern.