Dax im Rekordrausch: Warum das EZB-Geld Fluch und Segen ist

Frankfurt/Main (dpa) - Der Jubel begann schon Wochen vor der historischen Entscheidung der EZB. Seit die Währungshüter tatsächlich die lang erwartete Geldflut verkündet haben, kennen die Investoren kein Halten mehr: Der deutsche Leitindex Dax steigt weiter von einem Rekordhoch zum nächsten.

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Am Freitag war der Dax in der Spitze nur noch rund 300 Punkte von der magischen Zahl 11 000 entfernt. Kann das noch gesund sein? Manche Experten warnen vor Risiken: Die Schuldenkrise in der Eurozone ist noch nicht vorbei.

Die gegenwärtige Hochstimmung erklärt Chefvolkswirt Ulrich Kater von der Dekabank so: „Die Geldpolitik der EZB führt schlichtweg zu höherer Attraktivität von Aktien.“ Denn durch das Überangebot an Liquidität sinkt der Preis des Geldes, also der Zins. Auf diese Weise kommen zwar Unternehmen nun günstiger an Kredite - doch wer auf Anleihen, Festgeld oder Lebensversicherungen setzt, schaut in die Röhre, weil diese in Zukunft noch weniger Rendite abwerfen als eh schon. Das treibt immer mehr Anleger in die Aktienmärkte.

Vor allem institutionelle Investoren wie Versicherungen oder Pensionskassen stehen unter Zugzwang. Aktienstratege Carsten Klude von der Privatbank M. M. Warburg & Co. geht davon aus, dass die Profis vermutlich mehr Aktien kaufen müssen, um ihren Kunden ordentliche Erträge bieten zu können. Der Experte sieht den deutschen Leitindex Ende des Jahres bei 10 900 Punkten.

Doch die Geldflut der EZB lässt nicht nur die Aktienkurse steigen, sondern sorgt wohl auch für einen weiteren Anstieg der Dividenden, mit denen Unternehmen ihre Anleger an ihren Gewinnen beteiligen. „Unseres Erachtens ist davon auszugehen, dass viele Aktiengesellschaften ihre Ausschüttungsquoten in diesem Umfeld erhöhen werden“, sagt Klude. Denn für Geld, das sie auf dem Konto parken, müssten sie „zunehmend Strafzinsen befürchten“. Das befördert den Dax zusätzlich, denn bei diesem sogenannten Performance-Index werden auch die Dividenden eingerechnet.

Doch die wirtschaftspolitische Gemengelage könnte den Börsianern schnell die Laune verderben. Denn ob die Milliarden der EZB am Ende tatsächlich den Euro-Raum stabilisieren, ist keineswegs ausgemacht. Fraglich ist für Robert Halver, Marktstratege der Baader Bank etwa, ob das „Himmelsgeschenk“ von viel und billiger Liquidität von der Notenbank die nationalen Regierungen nicht dazu verleiten wird, gerade keine unbeliebten Reformen mehr durchzuführen, sondern stattdessen staatliche Konjunkturprogramme aufzulegen.

Beispiel Griechenland: Experten befürchten, dass dort nach den Neuwahlen am Sonntag das Linksbündnis Syriza an die Macht kommt. Dessen Vorsitzender Alexis Tsipras hat sich gegen die von den internationalen Geldgebern erzwungenen Sparprogramme ausgesprochen und strebt einen Schuldenerlass an. Damit könnte die fast schon überwunden geglaubte Euro-Schuldenkrise wieder für Verunsicherung am Aktienmarkt sorgen.

Überhaupt sehen Skeptiker die Gefahr, dass die Maßnahmen der EZB am Ende schlicht verpuffen und die Wirtschaft in der Eurozone nicht wie erhofft anzieht. Ganz abgesehen davon, dass es auf wichtigen Exportmärkten europäischer Unternehmen auch nicht mehr rosig aussieht: Aktienstratege Manfred Bucher von der BayernLB erinnerte an die Rücknahme der globalen Wachstumsprognose durch die Weltbank. Hintergrund ist die Wirtschaftsschwäche in wichtigen Schwellenländern wie Russland und Brasilien. Eine weltweite Konjunkturdelle träfe die exportorientierten deutschen Konzerne besonders - und damit am Ende auch die Aktionäre.