Aus dem Amt geputscht Der Abgang von Simbabwes starkem Mann

Harare (dpa) - Fast vier Jahrzehnte hat sich Simbabwes Präsident Robert Mugabe an der Macht gehalten. Selbst mit 93 Jahren schien der gewiefte Politiker noch alles und jeden im Land unter Kontrolle zu haben.

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Er wollte sogar noch eine weitere Amtszeit regieren.

Doch über Nacht wurde ihm vom Militär das Heft des Handelns aus der Hand gerissen. Der Versuch, seine unbeliebte Frau Grace (52) als Nachfolgerin zu installieren, kostet ihn wohl sein Amt. Nun muss er hoffen, sich und seiner Familie zumindest noch einen Abtritt mit der Zusicherung von Straffreiheit oder einen Weggang ins Exil zu sichern.

Die allermeisten Simbabwer haben nie einen anderen Präsidenten als Mugabe erlebt. Doch die Erklärung der Putschisten um vier Uhr morgens beendete die Ära Mugabe mit einem Handstreich. Er wurde unter Hausarrest gestellt, es gibt kein Zurück. „Das Militär hat die Machtstrukturen in Harare jetzt fest im Griff“, erklärte etwa Analyst Charles Laurie von der Risikoberatung Verisk Maplecroft. Nun steht das krisengeschüttelte Land im südlichen Afrika wohl vor der größten Zäsur seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1980. Die Frage ist: Was kommt nach Mugabe?

Am Dienstagabend waren die Soldaten noch diskret in die Hauptstadt Harare vorgedrungen, am Mittwoch hatten sie bereits Parlament, Präsidialamt und andere wichtige Regierungsgebäude umstellt. Soldaten kontrollierten auch wichtige Verkehrsknotenpunkte. Doch die Putsch-Generäle beteuern, sie wollten die Macht nur zeitweise behalten um „Verbrecher“ in Mugabes Umfeld auszusortieren, die dem Land schadeten. Experten vermuten, dass mit „Verbrechern“ vor allem jene gemeint sind, die sich für die impulsive First Lady mit einer Vorliebe für schicke Designerklamotten als nächste Präsidentin einsetzten. Finanzminister Ignatius Chombo, einer ihrer prominentesten Unterstützer, wurde noch in der Nacht festgenommen.

Relativ klar scheint auch, wen die Streitkräfte unterstützen: den vergangene Woche geschassten Vizepräsidenten Emmerson Mnangagwa, der lange als Nachfolger Mugabes gehandelt wurde. Der 75-Jährige, der in Simbabwe nur unter dem Spitznamen „das Krokodil“ bekannt ist, ist eine Figur des Establishments, er gilt als Hardliner. Mnangagwas Hintergrund als früherer Geheimdienstchef und seine fragwürdige Menschenrechtsbilanz „bedeuten, dass Simbabwes Zukunft in einer gefährlichen Situation ist“, erklärte Analyst Laurie.

Eine lange Herrschaft des Militärs gilt als weniger wahrscheinlich, zumal die Streitkräfte in Simbabwe sehr nahe an der Regierungspartei Zanu-PF angegliedert sind. Das Militär könnte seine neue Machtposition aber nutzen, um Mugabe zu zwingen, Mnangagwa wieder als Vizepräsidenten einzusetzen und selbst zurückzutreten, erklärt Analyst Theophilus Acheampong von IHS Markit. „Mnangagwa wird wahrscheinlich eine Übergangsregierung führen“, erklärte er. Er würde mit dem Makel starten, seine Macht dem Putsch zu verdanken, könnte dann aber schnell Neuwahlen ausloben. Dank der staatlichen Ressourcen und einer zerstrittenen Opposition würde er sie wohl auch gewinnen.

Nach seiner Absetzung war Mnangagwa nach Südafrika geflohen, inzwischen soll er aber wieder in Simbabwe sein. Mit 75 Jahren würde Mnangagwa eine „Verjüngung“ der Staatsführung darstellen, eine bedeutende Kursänderung wäre von ihm jedoch wohl nicht zu erwarten.

Dann bleibt noch die Frage, was aus dem Mugabe-Clan werden soll. Selbst die Generäle, die ihn abgesetzt haben, verehren Mugabe immer noch als den Kämpfer, der Simbabwe 1980 vom Joch der weißen Minderheitsregierung befreit hat. Daher gilt es als wahrscheinlich, dass sie ihn schonend behandeln werden - solange er den Weg für eine Erneuerung freimacht: Er könnte sich mit seiner Familie wohl ein Exil in einem befreundeten Land aussuchen, oder auf Straffreiheit bestehen und sein Altenteil in Simbabwe verleben. Sollte sich Mugabe jedoch weigern abzutreten, könnte es doch noch zu Kämpfen zwischen verschiedenen Fraktionen der Sicherheitskräfte kommen.

Sobald sich die Lage in dem Land mit rund 16 Millionen Einwohnern wieder stabilisiert, wird Mugabes Nachfolger alle Hände voll zu tun haben. Mugabe hat die frühere Kornkammer des südlichen Afrikas heruntergewirtschaftet, nicht zuletzt durch die entschädigungslose Enteignung weißer Farmer, die die Landwirtschaft zusammenbrechen ließ. Simbabwe gehört heute zu den ärmsten Staaten der Welt.

Mugabe war zuletzt immer gebrechlicher geworden. Bei öffentlichen Auftritten musste er oft beim Gehen gestützt werden, immer wieder nickte er bei Terminen ein. Doch innerhalb der Regierungspartei Zanu-PF wagte es kaum jemand, dem autoritären Präsidenten zu widersprechen oder ihn in Frage zu stellen. „Nur Gott, der mich ernannt hat, wird mich abwählen können“, prahlte dieser noch 2008 selbstsicher. Doch in den Folgejahren, geprägt von einer drastischen Wirtschaftskrise, scheint es hinter den Kulissen unter seinen Gefolgsleuten rumort zu haben. Dass ihm die Armee einst den Dolchstoß verpassen würde, hätte sich Mugabe aber wohl nie träumen lassen.