Rücklagen schmelzen bis 20121 Der Rentenversicherung geht's gut - aber wie lange noch?
Würzburg (dpa) - Die Kassen der Rentenversicherung sind ordentlich gefüllt. Die Konjunktur lief in den vergangenen Jahren so gut, dass trotz reduzierter Beiträge ein unerwartet gutes Rücklagenpolster von mehr als 30 Milliarden Euro aufgebaut werden konnte.
Zugleich stiegen die Renten in den letzten zehn Jahren schneller als die Preise. Es blieb in den Rentnertaschen etwas übrig. Zeit also für Rentenreformen?
Die Prognosen der Deutschen Rentenversicherung Bund warnen. Für die Rentner dürfte zwar der jährliche Zuschlag bis mindestens 2021 bei nominal zwei Prozent liegen. Die Rentenversicherung fährt inzwischen aber Defizite ein, Tendenz steigend. Bis 2021 schmilzt demnach das derzeit noch üppige Finanzpolster fast auf die gesetzliche Untergrenze von 0,2 Monatsausgaben oder knapp vier Milliarden Euro.
Das heißt wiederum, ab dem Zeitpunkt müssten die Beiträge steigen - nach Berechnungen der Rentenversicherung Bund von heute 18,7 um mehr als drei Prozentpunkte auf 21,8 Prozent vom Brutto. Das wäre ein historischer Spitzenwert. Er würde aber immer noch knapp unterhalb der bis dahin politisch festgelegten Obergrenze von 22 Prozent liegen.
Die Defizite werden auch hervorgerufen durch versicherungsfremde Leistungen wie die 6,5 Milliarden Euro für die Mütterrente, klagt die Rentenversicherung Bund. Käme jetzt auch noch ein weiteres Anerkennungsjahr dazu, wie dies die CSU verlangt, das nicht steuerfinanziert wäre, würden die Rücklagen noch schneller schmelzen.
Die im Koalitionsvertrag geplante Ost-West-Rentenangleichung wird also schwierig: Wer bezahlt den Übergang und wer bezahlt vor allem danach die jährlich knapp vier Milliarden Euro ab 2020? Die Rentenversicherung argumentiert wie Sozialministerin Andrea Nahles (SPD), das sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, also eine Angelegenheit des Finanzministers.
Wolfgang Schäuble (CDU) sperrt sich aber. Ins Gespräch gebracht wurde jetzt, die vier Milliarden über den Solidaritätszuschlag zu finanzieren, der im Jahr derzeit 13 Milliarden Euro bringt. Diese reine Bundessteuer könnte mit dem Auslaufen des Solidaritätspaktes 2019 eine neue Verwendung finden.
Unabhängig davon gibt es bei den Ost-Ministerpräsidenten massiven Widerstand. Sie befürchten, dass bei einer Angleichung des Rentenwertes gleichzeitig die Aufwertung der Arbeitseinkommen im Osten wegfällt, was dort wiederum die künftigen Rentnergenerationen träfe. Würde man die Aufwertung der Einkommen im Osten belassen, wäre wohl Widerstand im Westen sicher.
Und auch ein weiteres Rentenprojekt, das noch vor der Bundestagswahl 2017 abgearbeitet werden soll, nämlich den Schutz von Geringverdienern vor Altersarmut, ist komplizierter, als sich Nahles das zunächst wohl gedacht hatte. Zuschläge für Geringverdiener sind technisch sehr schwierig, daran ist schon Nahles-Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) gescheitert. Nach Darstellung der Rentenversicherung funktioniert eine solche Besserstellung auch kaum über das Rentensystem, weil es sich eher um eine Fürsorgeleistung des Staates handle.
Vor diesem Hintergrund verwundert die Zuversicht etwas, die Nahles nach dem Spitzentreffen der Koalition am Dienstagabend verbreitet hatte. Es ist vor diesem Hintergrund nur schwer vorstellbar, dass sich CDU, CSU und SPD bis Ende des Monats tatsächlich auf weitere Rentenreformschritte noch in dieser Legislaturperiode verständigen.
Anerkennung erntete Nahles am Donnerstag in Würzburg von der Rentenversicherung Bund, dass sie sich als erste Ministerin Gedanken über die Zeit nach 2030 macht. Angesichts der Prognosen wird dies eine massive Herausforderung. Denn wenn Politik nicht reagieren würde, stiegen die Beiträge bis 2045 auf 23,6 Prozent und das Rentenniveau sänke auf 41,7 Prozent. Mit Spannung wird daher erwartet, wie und wo Nahles in ihrem für Ende November angekündigten Gesamtrentenkonzept die „doppelten Haltelinien“ einziehen will. Rente wird, so wie es derzeit aussieht, entgegen dem Wunsch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein heftiges Wahlkampfthema.