Hilflos und ohne Einfluss Der Westen im syrischen Bürgerkrieg
Damaskus (dpa) - Es waren Worte, die eigentlich harmlos klingen. Das Schicksal von Syriens Präsident Baschar al-Assad, sagte US-Außenminister Rex Tillerson vor ein paar Tagen bei einem Besuch in der Türkei, „wird vom syrischen Volk entschieden werden“.
Doch was sich wie eine Selbstverständlichkeit anhörte, markierte tatsächlich nichts anderes als eine Wende in der amerikanischen Syrien-Politik.
Am Dienstag sah sich die Regierung von Donald Trump in der unbequemen Situation, erklären zu müssen, wie sie diese Haltung vertreten und gleichzeitig den jüngsten Giftgaseinsatz in Syrien verurteilen kann.
Denn Tillerson hatte in der vergangenen Woche eine Wortwahl übernommen, die seit langem auch Assad selbst und seine Anhänger verwenden - und die sie als Chiffre für die Aussage benutzen, dass Syriens Präsident an der Macht bleibt.
Washington rückte damit unter Trump von der Politik seines Vorgängers Barack Obama ab, die dem Machthaber in Damaskus die Hauptverantwortung für den blutigen Konflikt in dem Bürgerkriegsland zuschob und auf seinen Sturz hinarbeitete.
Nach dem schweren Angriff vom Dienstag mit mehreren Dutzend Toten war Trumps Regierung zumindest schnell darin, den Schuldigen auszumachen: die Regierung von Assad. Trumps Sprecher Sean Spicer ging im selben Satz aber sogleich dazu über, Obama eine Mitverantwortung zu geben. Trump schloss sich dem später in einer Mitteilung an. Obama habe solche Angriffe mit seiner Tatenlosigkeit schließlich erst möglich gemacht.
Tillerson, der bisher nicht durch scharfe Töne aufgefallen ist, legte mit schweren Vorwürfen gegen Russland und Iran nach. „Es ist klar, wie Assad operiert: mit brutaler, unverfrorener Barbarei.“ Und er machte die Verbündeten der syrischen Regierung mitverantwortlich. „Als die selbst ernannten Garanten des Waffenstillstandsabkommens von Astana tragen Russland und der Iran große moralische Verantwortung für diese Toten.“
Eine erneute Kehrtwende?
Bisher stand für Trump und seine Administration dem Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Vordergrund. Assads Schicksal war für sie nur zweitrangig. Wird sich daran etwas ändern? Der Einfluss des Westens auf die Syrien-Krise ist ohnehin gering, markige Worte hin oder her.
Und die Situation ist auch so kompliziert genug - auch ohne eine möglicherweise neue Kluft zwischen den USA und den Europäern.
Die Europäische Union hält bislang weiter an einem Sturz des Machthabers in Damaskus fest. Beim Außenministertreffen am Montag bekräftigten die 28 EU-Staaten noch einmal, dass sie für ihn in einem zukünftigen Syrien keinen Platz mehr sehen.
Schon in der jüngsten und erneut ergebnislosen Runde der Genfer Verhandlungen über ein Ende des Bürgerkriegs zeigte sich sehr deutlich, dass Washington und Europa nur Zaungäste sind, die dem Geschehen mehr oder weniger hilfslos zuschauen.
Die USA fielen als Gegengewicht zu Syriens mächtigem Verbündeten Russland mittlerweile völlig aus, sagt ein europäischer Diplomat. „Es gibt wenig Zeichen, die einen glauben lassen, dass es in Washington eine Strategie für Syrien gibt. Die US-Diplomaten haben oft noch nicht einmal eine Linie oder Sprache, an die sie sich halten können.“
Europa würde im Syrien-Konflikt gerne eine gewichtigere Rolle spielen. So zumindest sieht es der Plan vor, den die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini Mitte März vorstellte. Die EU gelte bei Syrern, aber auch in der Region allgemein als verlässlicher und glaubwürdiger Partner, sagte sie im Europaparlament.
Allein, es fehlen Europa die Druckmittel. Als langjähriger Unterstützer der Opposition hat die EU kaum noch Zugang zur Regierung in Damaskus. Auch militärisch kann sie keine Drohkulisse aufbauen, da Europas Staaten an der Seite der USA in Syrien allein den IS bekämpfen. Bleiben nur Sanktionen und finanzielle Anreize für Assad als Lockmittel, um Einfluss geltend machen zu können.
Bedarf für finanzielle Hilfe besteht, und das nicht zu knapp. Nach mehr als sechs Jahren Bürgerkrieg sind große Teile des Landes völlig zerstört. Der Wiederaufbau könnten nach Schätzungen bis zu 200 Milliarden Dollar kosten, die dem wirtschaftlich ausgelaugtem Land fehlen. Auch Russland und der Iran, Assads wichtigste Verbündete, dürften dafür nach ihren kostspieligen Militärinterventionen kaum Geld geben.
Massiven Hilfsbedarf gibt es vor allem in den Gebieten unter Kontrolle der Opposition. Hier ist die humanitäre Lage oft prekär, wie in der Rebellenenklave Ost-Ghouta an der Grenze zur Hauptstadt Damaskus. Rund 400 000 Menschen leben in dem Gebiet nach UN-Angaben seit Monaten unter Belagerung, etliche fast täglich Kämpfen und Luftangriffen ausgesetzt. „Es kommen weder Benzin noch Nahrungsmittel hinein“, berichtet ein Aktivist. „Die Lage ist äußerst schlecht.“
Ohne Zustimmung der Regierung in Damaskus wird solche Gebiete keine Hilfe von außen erreichen. Assad sieht seine Macht nach militärischen Erfolgen gegen die Rebellen gleichzeitig fest gesichert. Angesichts dessen empfiehlt der Syrien-Fachmann der European Council on Foreign Relations (ECFR), Julien Barnes-Decay, nun die „Geldkarte in Syrien auszuspielen“. Trotz Sorgen, Assad zu stärken, sollte Europa die Chance ergreifen, „einen realen, positiven Einfluss auf das Leben einer traumatisieren Bevölkerung“ auszuüben, empfiehlt er.
Möglich wäre das jedoch nur, wenn die EU ihre harte Anti-Assad-Haltung abschwächen würde. Barnes-Decay will dafür Bedingungen stellen. Unterstützung für Syrien soll es nur geben, wenn die Waffenruhe hält. Und die Hilfe solle mehr über lokale Akteure und die UN abgewickelt werden als über Regierungsinstitutionen.
Unklar ist allerdings, ob und zu welchem Preis Assad das zulassen würde. Anfang Februar wies er jede Rolle der EU beim Wiederaufbau seines Landes zurück. „Man kann diese Rolle nicht spielen, während man Syrien zerstört“, sagte er und warf Europa vor, den Terror zu unterstützen: „Sie können nicht gleichzeitig zerstören und aufbauen.“