Enzensberger kritisiert Regierungen wegen Snowden
Hamburg (dpa) - Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger hat das Verhalten vieler demokratischer Staaten gegenüber dem früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden scharf kritisiert. „Diese Regierungen haben alle Angst, sind Duckmäuser.“
Es wäre eine naheliegende Lösung gewesen, dem Informanten Asyl zu gewähren, sagte der 83-Jährige am Donnerstag in der ARD-Sendung „Beckmann“. „Sie fürchten sich vor ihren eigenen Kreaturen, nämlich vor den eigenen Geheimdiensten, weil diese Geheimdienste ein Erpresserpotenzial besitzen“, sagte Enzensberger. Der Computerspezialist Snowden hatte unter anderem das Spähprogramm des US-Geheimdienstes NSA enthüllt. Er lebt derzeit im russischen Asyl.
Die Kontrolle über die Geheimdienste sei den Regierungen entglitten, so Enzensberger. „Ich bin sicher, dass das eine Kreatur ist, die man sich herangezüchtet hat, deren Herr man nicht mehr ist“, erklärte der Schriftsteller, der in den 1960er Jahren zu den Wortführern der Studentenbewegung gehörte. Privatsphäre und Verfassungen seien dabei nur Hindernisse. „Wir werden natürlich hohe Kosten haben durch den Verlust an Demokratie“, sagte Enzensberger. Ähnlich deutliche Worte fand er für das Sammeln großer Datenmengen und die Technologien der digitalen Welt. „Es gibt ja nicht nur künstliche Intelligenz, es gibt auch künstliche Idiotie.“
Er selbst verlasse sich nicht auf digitale Lösungen. „95 Prozent in meinem Leben ist und bleibt analog“, sagte der Schriftsteller, der in der Sendung unter anderem mit dem früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) diskutierte. Er gebe so wenige Daten preis, wie möglich - beispielsweise, indem er Kreditkarten meide. „Ich halte mich nicht an Big Data, sondern an Small Data“, sagte Enzensberger.