Erst Barça, dann Real: Spaniens Stars im Vierertakt überrollt
Madrid (dpa) - Zuerst der FC Barcelona, dann Real Madrid - Spaniens Fans sind nach den Champions-League-Debakeln von Barça und Real in München und Dortmund geschockt.
Die Parade-Clubs, der große Stolz der von Krise und Arbeitslosigkeit gepeinigten Spanier, wurden ausgerechnet in jenem Land gedemütigt, das in Europa bereits in der Wirtschaft und bei den Finanzen den Ton angibt.
„Es gibt kein Gegenmittel gegen den Glanz, mit dem die Bundesliga die Fußballwelt überstrahlt“, stellte die Zeitung „El País“ resigniert fest. Bald werde Deutschland auch dem Welt- und Europameister Spanien die Vorherrschaft streitig machen, meint der Autor David Gistau. „Die Vereine sind nur die Avantgarde eines Machtwechsels, der auch die Nationalelf betreffen wird.“
Reals 1:4-Schlappe im Halbfinalhinspiel bei Borussia Dortmund traf die Spanier noch härter als am Vortag die 0:4-Pleite des FC Barcelona bei Bayern München. Bei Barça waren schon seit Wochen Anzeichen zu erkennen gewesen, dass dem Team um Lionel Messi die Kräfte ausgingen. Real dagegen wirkte frisch und voller Tatendrang, das Team hatte sich vom Titelkampf in der Primera División längst verabschiedet und sich ganz auf die europäische Eliteliga konzentriert. „Barça konnte nicht, und Real wusste nicht wie“, resümierte die Zeitung „La Razón“.
„Uns hat die Einstellung gefehlt“, räumte Real-Kapitän Sergio Ramos ein. In Madrid wurde nach der „schwarzen Fußballnacht von Dortmund“ auch Kritik an José Mourinho laut. Dem Trainer wurde es als Fehlgriff angekreidet, den Kroaten Luka Modric ins zentrale Mittelfeld berufen und Mesut Özil auf den rechten Flügel beordert zu haben. Der Deutsche habe auf der Außenposition keine Akzente setzen und Cristiano Ronaldo nicht die notwendige Unterstützung liefern können. „Wo blieb Özil?“, fragte das Sportblatt „As“.
Mourinho selbst räumte ein, dass der BVB die bessere Mannschaft gewesen sei, wollte von Selbstkritik aber nichts wissen. „Die Dortmunder gewannen fast alle Zweikämpfe, sie bewiesen mehr physische und mentale Aggressivität“, sagte der Portugiese. Für ihn war das 1:4 die höchste Niederlage seiner Karriere in der Champions League. Er war von Real verpflichtet worden, damit er die „Königlichen“ zum langersehnten zehnten Europacupsieg („La Décima“) führt. Mit diesem Vorhaben droht er nun auch im dritten Anlauf zu scheitern.
„Auf das erhoffte Finale Real gegen Barça werden die Spanier noch warten müssen“, konstatierte das Sportblatt „Marca“. „In Wembley wird Deutsch gesprochen.“ Wenn die „Königlichen“ in der Statistik nach einem Hoffnungsschimmer für das Rückspiel suchen, müssen sie weit zurückblicken: 1975 hatte Real im Europapokal der Landesmeister ein 1:4 bei Derby County mit einem 5:1-Sieg wettgemacht. Im UEFA-Pokal waren die Madrilenen 1985 gegen Borussia Mönchengladbach gar nach einem 1:5 in Düsseldorf durch ein 4:0 im Rückspiel weitergekommen.
„Ein 1:4 ist aufholbar“, machte Mourinho seinen Spielern für das Rückspiel gegen den BVB Mut. In Madrid wird nun der „Geist von Juanito“ beschworen. Der 1992 bei einem Autounfall getötete Außenstürmer Juan Gómez González, genannt „Juanito“, war bei Real wegen seines bedingungslosen Einsatzes und seines grenzenlosen Siegeswillens ein Idol der Fans gewesen. Allerdings hatte der Heißsporn seinen explosiven Charakter häufig nicht unter Kontrolle. Unvergessen sind seine Fußtritte 1987 gegen den am Boden liegenden Lothar Matthäus.