Fragen und Antworten Eskalation im Mautstreit: Brüssel geht vor Gericht

Berlin/Brüssel (dpa) - Eine nahende Klage beglückt normalerweise die wenigsten. Doch Alexander Dobrindt freut sich richtig. „Endlich“, jubiliert der Bundesverkehrsminister. „Das ist eine gute Nachricht.“ Da hat die EU-Kommission am Donnerstag gerade bekannt gemacht, was Kritiker von Anfang an prophezeiten: Im Streit um die Rechtmäßigkeit der deutschen Pkw-Maut biegt sie in die Ausfahrt zum Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Dobrindt gibt sich siegessicher, dass das heiß umkämpfte Prestigeprojekt seiner CSU grünes Licht bekommt. Ob und wann Autofahrer die Maut zu spüren bekommen, bleibt aber ungewiss.

Was bedeutet der Schritt der EU-Kommission?

Die Brüsseler Behörde zündet nun die nächste Eskalationsstufe im Verfahren wegen Verletzung von EU-Recht, das sie im Sommer 2015 gegen Deutschland eröffnet hat. Zentraler Vorwurf: Das Maut-Modell „Made in Germany“ benachteilige Ausländer. Monatelang gingen Schriftsätze hin- und her, doch verständigen konnten sich die Streitparteien nicht. Ihre „grundsätzlichen Bedenken“ wurden nicht ausgeräumt, lautet das Fazit der Kommission. Dobrindt bleibt dabei: „Die Infrastrukturabgabe ist europarechtskonform.“ Nun soll also der EuGH entscheiden, wozu es nicht so oft kommt. In 95 Prozent dieser Vertragsverletzungsverfahren lenken die Staaten nach Angaben der EU-Kommission doch noch ein.

Wie geht es nun beim EuGH weiter?

Bis die Richter entscheiden, dürften noch weitere Monate vergehen. Zuletzt konnten ähnliche Verfahren im Schnitt schon mal knapp anderthalb Jahre dauern. Damit wäre einigermaßen fraglich, ob ein klärendes Urteil überhaupt noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 zu erwarten ist. Geben die Richter der EU-Kommission Recht, könnte die deutsche Maut so nicht kommen. Sollte sich Deutschland darüber hinwegsetzen, könnte Berlin am Ende auch noch eine Geldstrafe drohen. Setzt sich Dobrindt beim EuGH durch, will er die bisher sozusagen ins Tiefkühlfach gelegte technische Umsetzung schnell wieder auftauen.

Was genau beanstandet die EU?

Eine Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit, wie sie Brüssel in den beschlossenen Maut-Gesetzen erkennt, ist nach EU-Recht untersagt. Dabei stößt sich die Kommission vor allem an einem zentralen Aspekt: So sollen sowohl In- als auch Ausländer Maut zahlen müssen, doch nur Inländer würden im Gegenzug bei der Kfz-Steuer entlastet - und zwar auf den Cent genau in Höhe der Maut. Dieser Kniff wurde eingebaut, um die eiserne Vorgabe des Koalitionsvertrags von Union und SPD zu erfüllen, dass kein Inländer draufzahlen darf. Dobrindt argumentiert, eine solche Maut gebe es auch in deutschen Nachbarländern. Jeder Euro fließe ins Verkehrsnetz. Und an der Straßenfinanzierung werde bisher eben noch nicht jeder Nutzer angemessen beteiligt.

Was bedeutet die EU-Klage für Dobrindt?

Dem Verkehrsminister läuft die Zeit davon - und die Aussicht auf baldige größere Einnahmen. Sollte er trotz aller Unkenrufe Recht bekommen, wäre das ein Triumph. Kritiker sprechen aber schon jetzt von einer Klatsche. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse endlich die Reißleine ziehen und den „Maut-Unsinn von CSU-Geisterfahrer Dobrindt begraben“, sagt der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Der ADAC sieht sich in Bedenken bestätigt und warnt, wegen hoher Erhebungskosten dürfte die Maut „keine relevanten Nettoeinnahmen“ einbringen. Die SPD besteht unabhängig vom Ausgang einer Klage auf der schwarz-roten Garantie, dass keine Zusatzbelastung für deutsche Autofahrer kommt. „Daran“, sagt SPD-Fraktionsvize Sören Bartol, „wird nicht gerüttelt.“