Europa schottet sich ab
Athen/Brüssel (dpa) - Die Schließung der Balkanroute stürzt Zehntausende Flüchtlinge in Verzweiflung. Das Elendslager Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze versinkt im Schlamm, unter den mehr als 13 000 Flüchtlingen dort breiten sich Krankheiten aus.
In ganz Griechenland sitzen inzwischen rund 42 000 Menschen fest, mehrere tausend weitere sind in den Ländern entlang der Balkanroute gestrandet. EU-Staaten wie Italien wollen auch Alternativrouten schließen. Trotzdem reißt der Zustrom aus der Türkei nicht ab.
Nach Slowenien hatten am Mittwoch auch Serbien, Kroatien und Mazedonien entschieden, niemanden ohne gültigen Reisepass und Visum mehr passieren lassen zu lassen. Damit ist die Balkanroute für Flüchtlinge faktisch dicht. In Österreich ist seit Anfang der Woche kein einziger Flüchtling mehr am Grenzübergang Spielfeld zu Slowenien registriert worden, auch in Deutschland gehen die Zahlen zurück.
„Die Zeit des Durchwinkens ist vorbei“, betonte Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Brüssel. In Deutschland komme derzeit nicht einmal ein Zehntel der Menge an Flüchtlingen an wie im vergangenen Herbst. „Das Gipfelergebnis vom Montag hat dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet“, betonte der CDU-Politiker. „Wir sind auf einem sehr guten Weg, und für Deutschland werden die Zahlen damit auch niedrig bleiben.“
Kanzlerin Angela Merkel hatte die Abriegelung der Balkanroute am Mittwochabend hingegen kritisiert. „Das ist nicht die Lösung des Gesamtproblems“, sagte sie auf einer CDU-Wahlkampfveranstaltung. Natürlich kämen nun weniger Asylbewerber nach Deutschland. Dafür seien aber jeden Abend die Fernsehbilder gestrandeter Flüchtlinge in Griechenland zu sehen. „Wir können es uns nicht in 27 Ländern nett machen und ein Land alleine mit dem Problem lassen.“
Österreich lässt keinen Zweifel daran, dass die Abriegelung endgültig sein soll. „Die Balkanroute bleibt geschlossen und das auch dauerhaft. Dieser unkontrollierte Zustrom in Richtung Mitteleuropa über die Balkanroute muss einfach Geschichte sein“, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner vor einem Treffen der EU-Innenminister in Brüssel.
Was konkret mit den Flüchtlingen geschehen soll, die in Griechenland und den Balkanstaaten gestrandet sind, ist offen. De Maizière verwies darauf, dass die griechischen Behörden den Flüchtlingen im Land „andere, bessere Unterkünfte“ angeboten hätten. Europa müsse Griechenland helfen, allerdings sei die Zahl der Migranten dort im Verhältnis zur Bevölkerung „immer noch deutlich niedriger“ als in Deutschland, Österreich oder Schweden im vergangenen Jahr.
Spätestens auf dem Gipfel am 17. und 18. März will die EU ein Bündnis mit der Türkei schließen, um den Flüchtlingsandrang einzudämmen. Das türkische Angebot sieht unter anderem vor, dass die EU alle illegal ankommenden Menschen von den griechischen Inseln in die Türkei zurückschicken kann. Zugleich soll aber für jeden Syrer, der zurück in die Türkei gebracht wird, einer legal in die EU kommen können.
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte rief die EU auf, das geplante Flüchtlingsabkommen mit der Türkei zu überdenken. „Internationale Garantien für den Schutz der Menschenrechte dürfen nicht umgangen oder verwässert werden“, erklärte Said Raad al-Hussein vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf. Die Vereinbarung könne zu „kollektiven und willkürlichen Ausweisungen führen, die illegal sind“.
Die Türkei nahm zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage eine größere Zahl von Flüchtlingen zurück. Die griechischen Behörden schoben 81 Menschen ab, die illegal aus Pakistan, Marokko, Algerien und Tunesien eingereist waren.
Der Nato-Einsatz zur Kontrolle der Schleuseraktivitäten in der Ägäis läuft seit Montag in vollem Umfang. Trotzdem kommen weiter Tausende über die Türkei nach Griechenland. Laut UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) trafen allein am Mittwoch 3340 Migranten auf den griechischen Inseln in der Ostägäis ein. Bei einem Bootsunglück vor der türkischen Küste kamen fünf Flüchtlinge ums Leben, darunter ein Baby.
Italien und andere EU-Staaten befürchten, dass sich Flüchtlinge nach Schließung der Balkanroute andere Wege suchen. Der italienische Innenminister Angelino Alfano kündigte deshalb Gespräche mit Albanien an. Es gehe darum, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um illegale Migration zu verhindern.