Experte: Schavan könnte Titel trotz Fehlern behalten
Berlin (dpa) - Trotz der harten Plagiatsvorwürfe gegen Annette Schavan hat die Bundesbildungsministerin aus Expertensicht Chancen, ihren Doktortitel zu behalten.
„Nach dem, was man jetzt weiß, handelt es sich nicht um eine Parallele zum Fall Guttenberg“, sagte der Bonner Wissenschaftsrechtler Wolfgang Löwer der Deutschen Presse-Agentur am Montag.
Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg war im März 2011 zurückgetreten, weil er seine Doktorarbeit zu großen Teilen von anderen Autoren abgeschrieben und dies nicht gekennzeichnet hatte.
„Die Tatsache, dass ein plagiatorischer Fehler festgestellt wird, muss noch nicht zum Titelentzug führen“, sagte der Rechtsprofessor. „Es ist eine Frage der relativen Schwere und des Ermessens.“ Die zuständige Fakultät der Universität Düsseldorf habe noch Arbeit mit dem Fall.
„Es wäre angemessen, Frau Schavan zu hören“, sagte Löwer. Der Zeitpunkt sei bisher - vor Bekanntwerden des Gutachtens - eine Frage der Zweckmäßigkeit gewesen. „Jetzt muss sie stattfinden“, so Löwer. Der Experte, der auch für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) als Ombudsmann wissenschaftliches Fehlverhalten beurteilt, sieht in dem Gutachten, das Schavan eine Täuschungsabsicht vorwirft, noch keine Vorentscheidung. „Das 'Gutachten' erleichtert dem Fakultätsrat die Arbeit. Es ist Grundlage des eigenen Denkens und Prüfens der Entscheider“, sagte er.
Löwer geht grundsätzlich von einer autonomen Entscheidung der Prüfer in solchen Fällen aus. „Die Wissenschaft hat den Vorzug, unabhängig zu sein und nur eigenen Maßstäben folgen zu müssen.“
„Für das Entziehungsermessen spielt es auch eine Rolle, wie lange der Fall zurückliegt“, sagte Löwer. Die Doktorarbeit Schavans ist über 30 Jahre alt. Löwer forderte: „Es sollte allgemein - unabhängig vom Fall Schavan - für die Frage einer Titelentziehung Verjährungsfristen geben.“
Die Zeiten in der Wissenschaft hätten sich durchs Internet verändert, sagte Löwer. „Im Umgang mit Primär- und Sekundärliteratur mag es früher eher zu Laxheiten gekommen sein.“ Er betonte zugleich: „Aber es galt immer schon der Grundsatz, dass man - wann immer möglich - auf die Primärquellen zurückgreift.“