Unfall in Aichach Fahrdienstleiter nach tödlichem Zugunglück festgenommen
Aichach (dpa) - Zwei Jahre nach der Katastrophe von Bad Aibling soll erneut ein Fahrdienstleiter in Bayern ein schweres Zugunglück mit Toten verursacht haben. Nach der Kollision mit zwei Todesopfern bei Aichach hat die Polizei den 24 Jahre alten Mitarbeiter der Deutschen Bahn (DB) vorübergehend festgenommen.
Gegen den Mann wurde später vom Ermittlungsrichter in Augsburg zwar Haftbefehl erlassen, der Fahrdienstleiter muss vorläufig allerdings nicht ins Gefängnis.
Der Haftbefehl wegen des dringenden Verdachts der fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen Körperverletzung sowie der fahrlässigen Gefährdung des Bahnverkehrs wurde außer Vollzug gesetzt. Aufgrund der gegen den 24-Jährigen erlassenen Auflagen gebe es keine unmittelbare Fluchtgefahr, teilten Staatsanwaltschaft und das Polizeipräsidium in Augsburg mit.
Die Ermittler werfen dem Bahnmitarbeiter vor, für das Unglück wenige Hundert Meter entfernt vom Bahnhof im schwäbischen Aichach verantwortlich zu sein. Dort war am Montagabend gegen 21.15 Uhr eine mit etwa 30 Fahrgästen besetzte Regionalbahn auf dem Weg von Augsburg nach Ingolstadt frontal auf einen stehenden Güterzug geprallt.
Warum beide Züge auf demselben Gleis unterwegs waren, ist im Detail noch unklar. Die Kripo schließt nach den bisherigen Ermittlungen eine technische Panne aus und sieht auf jeden Fall menschliches Versagen des Fahrdienstleiters als Ursache. Was der 24-Jährige konkret falsch gemacht hat, könne allerdings noch nicht gesagt werden, sagte Polizeisprecher Markus Trieb. „Dafür ist es noch viel zu früh.“
Der 37 Jahre alte Zugführer des Personenzuges und eine 73 Jahre alte Passagierin starben bei dem Unglück. In dem Triebwagen der Regionalbahn wurde bei dem Aufprall ein weiterer Fahrgast schwer verletzt. Zwei Passagiere erlitten mittelschwere und elf Fahrgäste leichte Verletzungen. Der Lokführer aus dem Güterzug kam ohne äußerliche Verletzungen davon.
Der Vorfall erinnert an das Zugunglück im oberbayerischen Bad Aibling vom Februar 2016. Damals waren zwei Züge der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) frontal zusammengestoßen. Zwölf Menschen starben, 89 wurden verletzt. Der Fahrdienstleiter hatte auf seinem Handy gespielt und Signale falsch gestellt. Er wurde wegen fahrlässiger Tötung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung hatte er zurückgezogen.
Ob auch der 24-Jährige am Montag abgelenkt war und es deswegen zu dem Unfall in Aichach kam, ist noch nicht geklärt. Betroffen war ein Personenzug der Bayerischen Regiobahn (BRB), die wie die BOB zum Berliner Nahverkehrskonzern Transdev gehört. „Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen der Opfer und den verletzten Passagieren“, sagte BRB-Chef Bernd Rosenbusch.
Auch die DB-Mitarbeiter reagierten mit tiefer Betroffenheit. „Den Angehörigen der beiden Verstorbenen möchte ich im Namen der Deutschen Bahn unser tiefes Mitgefühl aussprechen“, sagte Klaus-Dieter Josel, DB-Konzernbevollmächtigter für Bayern, in München. „Unsere Gedanken sind auch bei den Verletzten.“
Nach dem Unfall in Aichach sollen etwa 15 weitere Passagiere, die offenbar ohne größere Blessuren blieben, den Einsatzort verlassen haben, bevor die Beamten deren Personalien feststellen konnten. Die Kriminalpolizei hofft nun, dass diese Fahrgäste sich bei der Polizei melden. Die Zeugen könnten wichtige Hinweise für das Ermittlungsverfahren geben.
Die Kriminalpolizei ermittelte bis zum späten Dienstagnachmittag vor Ort. Zudem kam ein externer Gutachter zur Unglücksstelle, um bei der Ursachensuche zu helfen. Danach begannen Bahnmitarbeiter damit, die demolierten Züge zu bergen und die Strecke auf Schäden zu untersuchen. Mit einer Freigabe der Bahnstrecke sei nicht vor Mittwoch zu rechnen, teilte die DB mit. Für die Fahrgäste wurde mit Bussen ein Ersatzverkehr eingerichtet.
170 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdiensten und Polizei waren in der Nacht an der Unfallstelle. Mehrere Rettungshubschrauber flogen die Verletzten in Kliniken. Im Landratsamt Aichach-Friedberg koordinierte die Führungsgruppe für den Katastrophenschutz den Einsatz.
Bei der DB arbeiten mehr als 12.000 Fahrdienstleiter, die täglich mehr als 40.000 Züge durch Deutschland steuern. Auf dem 34.000 Kilometer langen Schienennetz werden dafür rund 3000 Stellwerke genutzt, wo die Fahrdienstleiter Signale und Weichen per Hebel, Tasten oder Mausklick kontrollieren. Die Arbeitsbelastung der Fahrdienstleiter gilt als groß.