Forscher: Städte flussabwärts bei Hochwasserschutz nicht vergessen
Kassel (dpa) - Deutschland steht wieder unter Wasser. Ist das nicht zu verhindern? Nein, sagt Professor Stephan Theobald, Leiter des Fachgebiets Wasserbau und Wasserwirtschaft an der Universität Kassel.
Aber es gebe eine Reihe an Maßnahmen, die ein Hochwasser mildern können. Bedacht werden sollten dabei auch die weiteren Städte flussabwärts, sagte er in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.
Prof. Theobald, wie kann man Flutkatastrophen verhindern?
Theobald: „Man kann sie nicht verhindern, man kann sie gegebenenfalls mildern und dort, wo es noch nicht gut bewältigt wird, das aktuelle operationelle Verhalten verbessern, das heißt, den aktuellen Umgang, wenn die Flut ansteigt: Wie kann man die Bürger besser herausholen, besser vorwarnen. Mobile Schutzwände zum Beispiel kann man im Katastrophenfall nicht aktivieren, wenn das nicht vorbereitet ist. Das muss vorher geplant werden. Das muss man auch jährlich üben durch die entsprechenden Einsatzkräfte, das muss Routine sein.“
Was sollten Städte und Kommunen bei neuen Hochwasserkonzepten denn bedenken?
Theobald: „Bei allen Planungen sollte man größten Wert darauf legen, dass die Hochwasserneutralität der Unterlieger gewahrt bleibt. Das bedeutet, dass es durch die Maßnahme an einem Fluss nicht zu einer Abflusserhöhung nach Unterstrom kommt. Es gibt teilweise gute Zusammenarbeit zwischen den Städten, man hat da gelernt aus der Elbekatastrophe 2002, aber bei verschiedenen Konzepten wird manchmal dieser Aspekt nicht entsprechend berücksichtigt. Wir führen derzeit Untersuchungen durch an der Donau. Da geht es um die Abwägung, wie kann man die Bürger vor Ort schützen, ohne die Hochwassergefahr nach unten weiter zu verstärken. Es gibt aber noch keine Ergebnisse. Wir nehmen das aktuelle Hochwasser, um zu schauen wie gut unser Modell funktioniert, um daraus dann die Maßnahmen abzuleiten.“
Hilft in jeder Region dasselbe Rezept?
Theobald: „Es muss jede Region für sich das beste herausfinden, auch jede Stadt. Man kann den technischen Hochwasserschutz verbessern mit Mauern und mobilen Elementen. Eine weitere Option ist, die Leistungsfähigkeit des Gewässers zu verbessern an diesem konkreten Standort. Wenn man das Gewässer verbreitern oder eintiefen kann, bedeutet dies, dass sich bei gleichem Abfluss ein geringerer Wasserstand einstellen würde. Oder man kann ein Umgehungsgerinne anlegen, also nicht alles Wasser fließt mehr durch die Stadt, sondern auch an der Stadt vorbei. Das wird beispielsweise in Kassel gemacht. Und eine weitere Option: im Oberlauf mehr Wasser zurückhalten. Eine Lösung liegt oft in einem Mix.“
Welche Fehler sind im Siedlungsbau und Flussausbau gemacht worden?
Theobald: „Man muss dem Wasser wieder seinen Raum geben. Schäden entstehen dadurch, dass man in ein Überschwemmungsgebiet gebaut hat. Das ist die eigentliche Grundursache. Siedlungen sind immer näher ans Wasser herangerückt worden, dadurch haben wir die Situation, wie wir sie heute vorfinden. Hochwasser ist oft ein natürliches Ereignis, die Katastrophe entsteht dann, wenn Menschen und Hochwasser zusammen kommen.“
Wie sieht es im Rest der Welt aus? Machen andere es besser?
Theobald: „Man muss leider sagen, es ist international sehr ähnlich. Der Siedlungsdruck ist da, man nutzt die Talauen. Die Städte haben ein gewaltiges Wachstum, die Probleme sind sehr ähnlich.“
Welche Regionen in Deutschland müssen wieder auf Fluten gefasst sein?
Theobald: „Das ist nicht vorauszusehen. In der Vergangenheit gab es immer wieder Hochwässer wie an der Elbe oder in Süddeutschland. Es ist gefährlich, zu sagen, da wir in den letzten Jahren an der Weser wenig Hochwasser hatten, dass diese Region weniger gefährdet ist.“