Fragen und Antworten: Gas-Fracking-Gesetz sorgt für Ärger
Berlin (dpa) - Am Morgen wurde schon einmal am Kanzleramt nach Gas „gefrackt“. In weiße Schutzanzüge verpackte Umweltschützer nahmen eine Probebohrung vor, während drinnen das Kabinett ein Gesetzespaket mit strengen Auflagen beschloss.
Für die einen ist Fracking das neue Atom: Gefährlich für Mensch und Natur. Für die Anderen verspricht es gute Geschäfte und mehr Unabhängigkeit von Gasimporten. In den USA purzelten so die Energiepreise. Hierzulande dürfte es Fracking nur auf Sparflamme geben. Aber mit Hintertür.
Warum gibt es in Deutschland so große Ängste beim Fracking?
Wesentlich dazu beigetragen hat der Dokumentarfilm „Gasland“ (2010) über die US-Fracking-Revolution. In einem Fördergebiet in Colorado kam Wasser aus dem Hahn, das sich entzünden ließ. Doch der brennende Hahn hatte letztlich nichts mit Fracking zu tun, sondern es ging wohl nur um bodennahes Methan, das in der Gegend das Wasser belastete und sich entzünden ließ. Doch der Film veränderte die öffentliche Meinung - bis hin zu den Bierbrauern reicht die Protestfront. Wasserführende Schichten liegen zwar meist weit höher als die Fracking-Zonen, aber viele befürchten durch Förderung und Rückflüsse eine Verunreinigung.
Wird in Deutschland nicht längst großflächig Gas „gefrackt“?
Ja. Seit 1961 wird in Deutschland, vor allem in Niedersachsen aus tiefen Hohlräumen Gas gefördert - dies bleibt unter strengen Auflagen wie Umweltverträglichkeitsprüfungen erlaubt. Die Regierung grenzt es ab vom noch neuen unkonventionellen Fracking (engl. fracture = aufbrechen), bei dem mit Quarzsand und Chemikalien vermischtes Wasser unter hohem Druck in Schiefer- und Kohleflözgestein gepresst wird. Dadurch wird das Gestein auf großer Fläche aufgebrochen, so dass aus feinen Rissen Gas entweicht und über Bohrrohe gefördert werden kann.
Welche Auflagen will die Bundesregierung?
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) betont, bisher gebe es keine Regelung, Unternehmen könnten Genehmigungsanträge vor Gericht durchboxen. Sie spricht von einem „Fracking-Einschränkungsgesetz“. 2013 scheiterte ein erster Anlauf, Union-Abgeordnete fürchteten, dass etwa die Bodenseeregion nicht ausreichend geschützt sei. Geplant ist ein Verbot für: Naturschutz-, Wasser- und Heilquellenschutzgebiete; Einzugsgebiete von Talsperren und Seen, die der Wasserversorgung dienen und etwa im Bereich von Brunnen. Hendricks betont, ein Komplett-Verbot sei verfassungsrechtlich nicht möglich: „Man kann in Deutschland nicht einfach eine Technologie pauschal verbieten.“
Wie werden die Sorgen der Bierbrauer berücksichtigt?
Die 16 Bundesländer können das Fracking-Verbot noch erweitern auf Mineralwasservorkommen und auf die Wasserentnahmestellen für die Herstellung von Getränken wie zum Beispiel Bier. Außerhalb der Gebiete wird Fracking in einer Tiefe von 0 bis 3000 Metern untersagt, unkonventionelle Gas-Vorkommen liegen meist bei 1000 bis 2000 Metern.
Wo wird Fracking dann überhaupt erlaubt?
Theoretisch zu Probezwecken überall außerhalb „sensibler Gebiete“. Stellt ein Unternehmen einen Antrag auf eine wissenschaftlich begleitete Probebohrung, muss erst die betreffende Landesbehörde grünes Licht geben. In dem Fall wären auch Bohrungen oberhalb der 3000-Meter-Grenze möglich. Die eingesetzte Flüssigkeit darf nicht wassergefährdend sein. Mitarbeiter von ExxonMobil, größter Förderer in Deutschland, tranken jüngst im Fernsehen Frack-Flüssigkeit, um zu zeigen, dass sie keine giftigen Chemikalien enthalte und harmlos für das Wasser sei. Rückflüsse und Lagerstättenwasser müssen in Behältern aufgefangen werden. Das Lagerstättenwasser darf aber im Untergrund verpresst werden, wenn es sicher im Gestein eingeschlossen wird.
Gibt es also erst einmal nur Probebohrungen?
Nein, das ist der heikle Punkt. Ab 2019 kann es auch kommerzielle Förderung geben, Gasförderung im großen Stil. Der SPD-Umweltpolitiker Frank Schwabe wirft dem Bundeskanzleramt vor, sich hier dem Lobbydruck der Gaskonzerne gebeugt zu haben, die ursprünglichen Pläne von Umweltministerin Hendricks und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) sahen dies nicht vor. Voraussetzung ist aber 1.) eine erfolgreiche Erprobungsmaßnahme, dann muss 2.) eine unabhängige Expertenkommission bescheinigen, dass eine Gasförderung in der Gesteinsformation unbedenklich ist. Die zuständigen Bergbau- und Wasserbehörden der Länder sind aber an deren Votum nicht gebunden.
Was ist besonders umstritten?
Viele Abgeordnete der SPD sehen die sechsköpfige Kommission kritisch. Sie soll aus Geologen, Umweltbeamten und Geoforschern bestehen und muss nicht einstimmig entscheiden. Sie fürchten einen Automatismus für kommerzielle Projekte - hierüber müsse aber der Bundestag entscheiden. „In dieser Form ist der Gesetzentwurf für zahlreiche Kolleginnen und Kollegen nicht zustimmungsfähig“, sagt aber auch der CDU-Politiker Andreas Mattfeld, der eine rund 100 Abgeordnete umfassende, Unions-Gruppe steuert. Er fordert eine Verschärfung, etwa beim Umgang mit Lagerstättenwasser. Somit sind Änderungen im Bundestag absehbar. Das Paket soll bis Januar 2016 in Kraft treten.
Wie groß ist das Förderpotenzial überhaupt?
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) betont, dass die technisch gewinnbare Menge an unkonventionellem Schiefergas bis zu 1,3 Billionen Kubikmeter betragen kann. Der jährliche Verbrauch liegt bei 85 bis 90 Milliarden in Deutschland - somit könnte der Verbrauch theoretisch über zehn Jahre gedeckt werden. Unternehmen werden aber nur investieren, wenn sie nach der zunächst geplanten Erprobungsphase auf kommerzielle Förderung hoffen können - laut Hendricks kostet schon eine Probebohrung 30 Millionen Euro.
Wie reagieren Umweltschützer, Opposition und Industrie?
Umweltschützer und Opposition sehen ein Fracking-Ermöglichungsgesetz. Werde die jeweilige geologische Formation von der Kommission als unbedenklich eingestuft, könnten Unternehmen dort fracken, meint der Nabu. „Jeder Abgeordnete trägt persönlich dafür Sorge, dass die Einwohner, Natur, Seen, Brunnen und Talsperren in seinem Wahlkreis sicher sind“, sagt Energieexperte Ulf Sieberg. Der Industrieverband BDI betont, Fracking könne viel zur Versorgungssicherheit beitragen.