Fragen und Antworten: Heidenau und die Hilflosigkeit
Heidenau (dpa) - Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hat die Notbremse gezogen: Eine Woche nach den Krawallen von Rechtsradikalen in der Kleinstadt Heidenau nahe Dresden hatten rechte und linke Gruppen wieder Kundgebungen und Demonstrationen angemeldet - und der Kreis sie alle verboten.
Das Verwaltungsgericht Dresden hielt das für unzulässig. Es wurde später teilweise vom Oberverwaltungsgericht Bautzen korrigiert. Das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut, trotzdem kann es eingeschränkt werden.
Wer kann ein Versammlungsverbot aussprechen - und wann?
Die Versammlungsfreiheit ist im Grundgesetz garantiert. Einschränkungen müssen sehr gut begründet sein. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung stellt einen solchen Grund dar. Sie hatte auch das Landratsamt in Pirna angeführt. Die Behörde berief sich auf einen sogenannten polizeilichen Notstand. „Danach sind die zur Verfügung stehenden Polizeikräfte nicht in der Lage, der prognostizierten Lageentwicklung gerecht zu werden“, erklärte die Beigeordnete Kati Hille. Dadurch könnten Leib und Leben von Demonstranten, Polizisten und Unbeteiligten in Gefahr sein.
Warum stehen denn nicht genügend Polizisten zur Verfügung? Können die Nachbarländer nicht helfen?
Das Innenministerium in Dresden nennt keine Zahlen, betont aber, dass man alle zur Verfügung stehenden Einsatzkräfte mobilisiert habe. Es müssten auch noch weitere Veranstaltungen wie Fußballspiele und das Altstadtfest in Görlitz gesichert werden. Einige Anfragen in den anderen Ländern und beim Bund liefen zwar noch, die dortigen Einheiten seien aber ebenfalls schon stark eingebunden.
Warum hat das Verwaltungsgericht Dresden das Verbot gekippt?
Die Richter befanden, dass es „offensichtlich rechtswidrig“ ist, alle Versammlungen in Heidenau in der Zeit von Freitag bis Sonntag zu untersagen. Das erschien ihnen unverhältnismäßig. Sie bemängelten außerdem, dass für die Einschätzung der Gefahrenlage lediglich die Krawalle vom vergangenen Wochenende herangezogen worden seien, „ohne sich konkret mit den für das kommende Wochenende angezeigten Versammlungen auseinanderzusetzen und darzulegen, wie von der zu erwartenden Teilnehmerzahl eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen solle“.
Wer hat das Verbot überprüfen lassen?
Ein junger Jurist aus dem Rheinland hat den Eilantrag gestellt. Der wissenschaftliche Mitarbeiter einer Kanzlei wollte an dem Willkommensfest für die Flüchtlinge teilnehmen. „Es kann doch nicht sein, dass für eine ganze Stadt über zwei Tage ein Versammlungsverbot gelten soll“, sagte er. „Dann könnte man das Grundrecht auch gleich außer Kraft setzen.“
Wieso hat das Oberverwaltungsgericht dann teilweise anders entschieden?
Das Oberverwaltungsgericht in Bautzen hat das Versammlungsverbot nur für das Willkommensfest des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ am Freitag aufgehoben. Der Jurist, der das Verbot überprüfen ließ, konnte sich nach Auffassung der Richter in Bautzen nur hinsichtlich dieser Veranstaltung, die er besuchen wollte, auf sein Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit berufen. Es sei nicht ersichtlich, dass in diesem Fall ein polizeilicher Notstand vorliege. Ob dies auch auf die anderen vom Verbot betroffenen Versammlungen zutreffe, könne dagegen offen bleiben, argumentierten die Richter.
Hat es solche Fälle schon öfter gegeben?
Ja, auch die Verbote einer Pegida-Demonstration in Dresden im Januar und einer Legida-Kundgebung im Februar in Leipzig waren mit einem polizeilichen Notstand begründet worden. In Dresden war zuvor eine Terrorwarnung eingegangen. In Leipzig sagte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) damals: „Mit 1000 Beamten lässt sich die Sicherheit der Stadt nicht garantieren.“
Hat Sachsen zu wenig Polizisten?
Von 2010 bis 2014 sank die Zahl der Stellen für Polizeivollzugsbeamte laut Innenministerium um knapp 680 auf 10 865. Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Hagen Husgen, frdert seit langem, dass der Personalabbau gestoppt wird. Für ihn ist der polizeiliche Notstand absehbare Konsequenz einer verfehlten Sicherheitspolitik. Auch Innenminister Markus Ulbig (CDU) räumt ein, dass es offensichtlich zu wenig Polizeikräfte gibt, um den Herausforderungen bei der Flüchtlingsunterbringung gerecht zu werden.