Fukushima: Stromkabel zu Reaktor 2 gelegt
Tokio/Berlin (dpa) - Die Betreiber des Atomkraftwerks Fukushima haben noch Hoffnung, die erheblich beschädigte Anlage doch noch unter Kontrolle zu bringen und eine nukleare Katastrophe zu verhindern.
Die Arbeiten zur Verlegung eines Stromkabels zum Reaktor 2 wurden nach Angaben der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) erfolgreich abgeschlossen. Die Stromversorgung soll aber erst dann wieder aufgenommen werden, wenn die Maßnahmen zur Wasserkühlung des Reaktors 3 von außen abgeschlossen seien, teilten die japanischen Behörden der IAEA mit. Hubschrauber und Wasserwerfer versuchten, den teils zerstörten Reaktor vom Boden und aus der Luft mit Wasser zu kühlen. Dies soll am Freitag fortgesetzt werden. Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Kyodo könnte der Strom am Freitag oder Samstag im Reaktor 2 angeschaltet werden. Es ist aber unklar, ob das Kühlsystem des Reaktors noch so intakt ist, dass es wieder in Gang gesetzt werden kann. Über Block 2 stieg am Abend erneut Rauch auf.
Techniker und Soldaten arbeiten mit Hochdruck an der langen Reihe der Reaktoren 1 bis 4 gegen die tödlichen Bedrohungen aus dem Reaktorkern und den Abklingbecken für abgebrannte Kernbrennstäbe. Die radioaktive Strahlung in der Evakuierungszone um das teilweise zerstörte Kraftwerk stieg am Donnerstag deutlich an, in Tokio blieb sie dank des aufs Meer gerichteten Westwinds unter den gesundheitsschädlichen Werten, wie die IAEA in Wien mitteilte.
Mit Hubschraubern aus der Luft und Wasserwerfern am Boden versuchten die Soldaten, vor allem den havarierten Reaktor 3 zu kühlen. Der Betreiber Tepco wertete den Einsatz als Erfolg, weil Wasserdampf aus dem überhitzten Meiler aufgestiegen sei. Die Behörden gaben dennoch keine Entwarnung.
Die Hubschrauber können nach einem Bericht des Fernsehsenders NHK 7,5 Tonnen Wasser fassen. Doch das zielgenaue Treffen ist schwierig. „Am wichtigsten ist jetzt, große Wassermengen auf die Reaktorblöcke 3 und 4 zu schütten, vor allem um die Kühlbecken zu füllen“, sagte Atombehörden-Sprecher Hidehiko Nishiyama der Agentur Kyodo.
US-Präsident Barack Obama ordnete angesichts der Ereignisse in Japan eine „umfassende“ Sicherheitsüberprüfung für die amerikanischen Reaktoren angeordnet. Die US-Atomkraftwerke seien in der Vergangenheit „intensiv geprüft“ und für sicher befunden worden, für alle möglichen „extremen“ Fälle, sagte Obama am Donnerstag im Rosengarten des Weißen Hauses. „Aber wenn wir eine Krise wie die in Japan sehen, haben wir eine Verpflichtung, aus diesem Ereignis zu lernen.“
Die Regierung in Washington hatte am Mittwoch allen Amerikanern nahe gelegt, das Gebiet im Umkreis von 80 Kilometern um Fukushima zu verlassen. Außerdem begannen die USA am Donnerstag damit, Amerikaner auf freiwilliger Basis aus Nordjapan auszufliegen. Weitere Evakuierungsflüge sollen folgen. Das US-Verteidigungsministerium schickte ein Spezialistenteam für den Kampf gegen die Atomkatastrophe nach Japan.
In Deutschland ließ es Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) offen, ob die für drei Monate stillgelegten Meiler in Deutschland wieder ans Netz gehen. „Was wir brauchen, ist ein Ausstieg mit Augenmaß“, sagte Merkel. Von den acht betroffenen AKW waren am Donnerstag sieben bereits abgeschaltet.
Mit Neckarwestheim I, Philippsburg I und Isar I gingen die ersten alten AKW vom Netz. Der Energiekonzern Eon wollte Unterweser am Freitagmorgen vom Netz nehmen. Für Biblis A hat der Betreiber RWE nach eigenen Angaben noch keine entsprechende Anordnung erhalten. Biblis B, Brunsbüttel und Krümmel stehen derzeit ohnehin still.
Mittelständischen Unternehmen in Deutschland drohen Lieferengpässe nach den tagelangen Produktionsausfällen in Japan. „Es gibt jetzt schon Engpässe, und die Engpässe werden sich verschärfen“, sagte der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven, der dpa. Auch der Maschinenbau befürchtet Lieferengpässe.
An den aus Japan kommenden Flugzeugen auf dem Flughafen Frankfurt wurde bisher keine erhöhte Radioaktivität gemessen. Derzeit landen in Frankfurt täglich sieben Maschinen aus Japan, darunter fünf Lufthansa-Flugzeuge und je eines der japanischen Gesellschaften ANA und JAL.
Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hält Lebensmittel aus Japan weiter für ungefährlich. „Unsere Erkenntnisse sind, dass momentan keine Lebensmittel kontaminiert sind“, sagte Aigner am Donnerstag am Rande eines EU-Ministerrats in Brüssel. Zudem exportiere Japan wegen der Katastrophe derzeit kaum Lebensmittel: „Alle Handelswege sind praktisch zusammengebrochen.“