Gemüse-Handel zusammengebrochen
Berlin/Bonn (dpa) - Wegen der EHEC-Krise ist der Handel mit Salat, Gurken und Tomaten nach Angaben des Deutschen Fruchthandelsverbands fast komplett zusammengebrochen.
„Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf unsere Mitgliedsunternehmen sind beträchtlich“, teilte Geschäftsführer Andreas Brügger am Mittwoch in Bonn mit. Konkrete Zahlen nannte der Verband aber nicht. Brügger forderte nicht nur Entschädigungen für die Produzenten, sondern auch für den Handel,
Der deutsche Lebensmittel-Einzelhandel leidet erheblich unter der EHEC-Seuche: „Wir haben Umsatzeinbrüche von 30 bis 40 Prozent bei Obst und Gemüse“, sagte der Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE), Kai Falk, der „Bild“-Zeitung (Mittwochausgabe). Auch bei anderen Lebensmitteln gingen die Umsätze deutlich zurück. „Der Handel spürt die große Verunsicherung der Kunden.“
Den Behörden warf Verbandsgeschäftsführer Brügger vor, „undifferenziert vor dem Verzehr von Salat, Gurken und Tomaten ohne einen wissenschaftlichen Nachweis für die tatsächliche Gefährdung der Verbraucher“ zu warnen.
Die Warnung vor dem Verzehr im Zusammenhang mit dem aggressiven Darmkeim müsse daher zurückgenommen werden. „Solche langfristigen Warnungen verändern das Verbraucherverhalten nachhaltig“, mahnte er. Es werde lange dauern, bis die Verbraucher wieder Vertrauen aufgebaut hätten. Auf die Mitgliedsunternehmen des Verbands entfallen nach eigenen Angaben rund 70 Prozent der Umsätze bei frischem Obst und Gemüse in Deutschland.
Nach Angaben der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn ist die Käuferschaft auf dem Gurkenmarkt drastisch zusammengeschrumpft. Anfang vergangener Woche lag sie demnach um mehr als 70 Prozent unter dem Wert von Mitte Mai. Bei Salaten seien 60 Prozent der Kunden abgewandert. Die Käuferschaft bei Rispentomaten ging laut AMI um die Hälfte zurück. Auch Arten, vor deren Verzehr nicht gewarnt wurde, ist nach Einschätzung der Fachleute in deutlich geringerer Menge verkauft worden. Dies betreffe Radieschen, Möhren, Brokkoli und auch Erdbeeren.
Allein auf der Bodenseeinsel Reichenau, Deutschlands zweitgrößtem Gurken-Produzenten, müssen die Gemüsebauern Absatzrückgänge von 80 Prozent verkraften. Obwohl es in Baden-Württemberg keine Anhaltspunkte für Spuren des Erregers gebe, sei der Markt für die etwa 100 Erzeuger auf der Insel zusammengebrochen, teilte die Reichenau-Gemüse-Vertriebsgenossenschaft mit. Jeden Tag müssten 50 000 Gurken vernichtet werden, aktuell liege der Schaden bei den Familienbetrieben bei etwa 250 000 Euro.
Nach Ansicht der Öko-Branche sind die von der EU zugesagten Entschädigungen für die europäischen Bauern durch die Kaufzurückhaltung der Verbraucher nicht genug. Der Schaden liege „bei aktuell geschätzt einer halben Milliarde Euro“, sagte der Geschäftsführer des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Alexander Gerber, dem Radiosender hr-info. „Da reichen die 150 Millionen dann nicht aus.“
Auf diese Mindestsumme für die Gemüsebauern hatten sich die EU-Agrarminister am Dienstag bei einem Sondertreffen in Luxemburg geeinigt. Sie wird aber voraussichtlich noch höher ausfallen. „Die Entschädigungen müssen so hoch sein, dass die Existenz der Betriebe dadurch sichergestellt wird“, fügte Gerber hinzu.