Geophysikalische Erklärungen zum Erdbeben
Rom/Berlin(dpa) - Ganze Dörfer sind zerstört, jahrhundertealte Gebäude eingestürzt wie Kartenhäuser. Es gibt Tote und Verletzte. Nach dem schweren Erdbeben in Zentralitalien erinnern die Bilder an 2009 - an das fatale Erdbeben von L'Aquila.
Experten erklären die geophysikalischen Hintergründe.
Warum kommt es immer wieder in Italien zu Erdbeben?
„Wir haben dort eine ziemlich komplexe Situation. Die afrikanische Platte drückt von Süden auf die eurasische Platte“, sagt Gernot Hartmann, Geophysiker der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Von Osten drücke außerdem die kleine adriatische Platte. „Gleichzeitig wird die Erdkruste auf der westlichen Seite Italiens noch gedehnt, was mit der Öffnung des Tyrrhenischen Meeres in Zusammenhang steht.“ Dadurch entstehe ein komplexes Spannungsfeld. „Bei diesem Erdbeben führte das zu einer sogenannten Abschiebung. Man kann sich auch vorstellen, dass Italien sich quasi gegen den Uhrzeigersinn dreht.“ In dieser Region müsse man immer auf ein Erdbeben vorbereitet sein, sagt Professor Frederik Tilmann vom Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam. Das schlimmste Erdbeben in der Region habe die Gegend im Jahr 1915 mit einer Stärke von 6,7 erschüttert.
Sind in Italien immer sogenannte Abschiebungen die Ursache für Erdbeben?
„In dem Gebiet sind ebenso Aufschiebungen möglich“, sagt Hartmann. Dabei bewegen sich Erdplatten aufeinander zu. Aber auch 2009 bei dem Beben von L'Aquila sei es derselbe Erdbebenmechanismus gewesen - also eine Abschiebung.
Wieso hatte das Erdbeben - das im Vergleich zu manch anderem nicht so stark war - so schlimme Folgen?
Geophysiker Hartmann begründet das einerseits mit der Tiefe des Erdbebens: „In diesem Fall wird davon ausgegangen, dass es in nur vier Kilometern Tiefe stattfand. Das ist dann deutlich spürbar und bringt eben auch erhebliche Schäden mit sich.“ Die Angaben zur Tiefe unterscheiden sich allerdings: Etwa das GFZ in Potsdam geht von zehn Kilometern Tiefe aus, was aber auch nicht besonders tief ist. Seismologe Tilmann hat eine weitere Erklärung: Es seien relativ starke Schäden entstanden wegen der hohen Zahl an historischen Gebäuden, die meist nicht nach seismischen Kriterien gebaut seien.
Welche Auswirkungen wird das Erdbeben noch haben?
„Ein Beben der Stärke 6,2 wird immer zu Nachbeben führen“, sagt Hartmann. Tendenziell nehme die Stärke der Nachbeben mit der Zeit ab. „Es kann aber auch weitere schwere Erdbeben geben.“ Auch Tilmann sagt, dass es wohl in den kommenden Wochen noch eine spürbar höhere Bebenrate geben werde. In ein und demselben Ort träten ganz schlimme Erdbeben normalerweise aber nur alle paar hundert Jahre auf.
Hat das Erdbeben Auswirkungen auf andere Regionen?
Das ist schwierig zu sagen. Solche Spannungsumlagerungen seien schwer vorherzusehen, erklärt Hartmann. „Eine Beeinflussung auf andere Regionen ist bei der Stärke aber relativ unwahrscheinlich. Sie wird sich auf die Umgebung begrenzen.“
Konnte man das Erdbeben auch in Deutschland spüren?
„Signale waren bis in den Bayerischen Wald messbar. Dort bewegte sich der Boden noch etwa 0,25 Millimeter in der Sekunde“, sagt Hartmann. Für Menschen sei das aber nicht wahrnehmbar.