Gorbatschow: Niemandem war der Ernst der Lage bewusst

Moskau (dpa) - Nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl vor 30 Jahren wurde dem damaligen Kremlchef Michail Gorbatschow immer wieder zögerliches Vorgehen vorgeworfen.

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Jahre später rechtfertigte sich der Friedensnobelpreisträger in einem Interview, das Ausmaß der Atomkatastrophe nicht erkannt zu haben. „Natürlich kann man jetzt im Nachhinein nur bedauern, dass wir das nicht sofort verstanden oder schneller gehandelt haben“, sagte Gorbatschow der russischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ im Jahr 2006.

Der heute 85-Jährige sei wenige Stunden nach dem Reaktorunfall am 26. April 1986 frühmorgens geweckt worden. „Damals wurde mir gesagt, dass es zu einem Brand und einem schweren Unglück gekommen sei, doch der Reaktor sollte intakt gewesen sein.“ Er habe daraufhin einen Sonderstab eingerichtet und sei in ständigem Kontakt mit Experten gewesen. „Meine erste Reaktion war Bestürzung: Wie konnte das passieren?“

Erste Informationen zu dem Super-GAU wurden in der Parteizeitung veröffentlicht. „Für einen inhaltlichen, sinnvollen Appell an die Menschen brauchte ich jedoch genauere und gründlichere Details“, sagte Gorbatschow. Deshalb habe er mit einer Stellungnahme und einer Botschaft an das Volk knapp drei Wochen gewartet. „Es ist nun klar, dass dies ein Fehler war.“ Der Reaktorunfall habe ihn persönlich tief erschüttert. „Ich habe dadurch eine neue Wahrnehmung für den Planeten entwickelt“, sagte Gorbatschow.