Griechenland-Pleite: Euro-Rettung oder -Untergang?
Frankfurt/Main (dpa) - Griechenland kriegt seine Schulden nicht in den Griff, die Wirtschaft steckt tief in der Rezession und die Troika von EU, EZB und IWF stellt Athen in Sachen Sparprogramm ein schlechtes Zeugnis aus.
Politiker in Deutschland scheinen mit der Geduld am Ende, inzwischen wird offen von einer Insolvenz Griechenlands gesprochen, um den Euro zu retten. Doch Kritiker warnen: Die Folgen einer Hellas-Pleite für den Euroraum sind nicht überschaubar. Wäre ein Austritt eine bessere Lösung, oder soll die Gemeinschaft weiter für die Schulden Athens haften? dpa beantwortet wichtige Fragen rund um dieses Thema.
Ist Griechenland noch zu retten?
Ja, aber es wird täglich schwieriger. Das Sparprogramm hat die lahme Wirtschaft tief in die Rezession gestürzt, ohne das eigentliche Problem zu lösen: Athens Haushalt ist weiter im Minus und droht unter dem Schuldenberg zu ersticken. Am Montag warnte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle Griechenland, Europa noch länger auf die Probe zu stellen. „Wenn die Zusagen erneut nicht eingehalten sind - irgendwo ist dann auch ein Endpunkt erreicht.“ Als Option nannte er einen Schuldenschnitt, bei dem Gläubiger wie Banken auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssten.
Welche Folgen hätte ein Staatsbankrott für Griechenland?
Für die Griechen selbst könnte das die beste Option sein, meint Thorsten Polleit, Chefvolkswirt Deutschland bei Barclays Capital: „Die Schuld wird vermindert, damit sinkt die Zinsbelastung im Haushalt und die Tilgungsverpflichtungen nehmen ab.“ Die finale Lösung für die Schuldenkrise sei das aber nicht, denn die Griechen müssten ihre laufenden Ausgaben trotzdem ihren Einnahmen anpassen. „Sonst häufen sie weiter Schulden an.“ Der Teufelskreis wäre nicht durchbrochen. Außerdem blieben griechischen Banken bei einer Pleite auf Forderungen sitzen. Das Bankensystem im Land könnte kollabieren.
Und welche Folgen hätte das für die Eurozone?
Die Gläubiger - darunter die Europäische Zentralbank - müssten ganz oder teilweise auf ihr Geld verzichten. Die EZB müsste die Staatsanleihen als Verlust verbuchen. Geschäftsbanken oder Versicherer, die in griechische Staatsanleihen investiert haben, müssten ihre Papiere abschreiben. Das würde ihr Eigenkapital belasten. „Von den Bankenstresstests wissen wir, die meisten griechischen Anleihen stehen noch zu vollen Preisen in den Büchern“, sagt Volkswirt Christian Schulz von der Berenberg Bank in London. Auch wenn Banken in Deutschland und Frankreich die Papiere zum Teil abgeschrieben haben: „Eine Hellas-Pleite wäre vermutlich immer noch ein großer Schlag für europäische Banken. Die Pleite hätte große Konsequenzen an den Märkten“, fürchtet Schulz.
Einen Vorgeschmack gab es am Montag. Die Aktien deutscher und französischer Banken gingen nach Pleitegerüchten erneut auf Talfahrt. Der Euro fiel zeitweise auf den tiefsten Stand seit Mitte Februar.
Wieso kann ein kleines Land wie Griechenland derartige Beben an den Märkten auslösen?
Griechenland wäre leicht zu retten, eine Pleite wäre vermutlich für Europas Banken, Steuerzahler und die Europäische Zentralbank verkraftbar. Schon schließt Wirtschaftsminister Philipp Rösler eine geordnete Insolvenz Griechenlands zur Rettung des angeschlagenen Euros nicht mehr aus. Es dürfe keine Denkverbote mehr geben.
Allerdings ist die Gefahr eines Flächenbrands noch immer nicht gebannt. Der deutsche Außen-Staatsminister Werner Hoyer (FDP) warnte am Montag: „Die Gefahr, dass es hier Dominoeffekte gibt, ist einfach zu groß. Und deswegen ist Behutsamkeit auch in der Wortwahl angesagt.“ Auch Ökonom Schulz warnt: „Das Problem ist und bleibt die Ansteckungsgefahr. Es geht um die prinzipielle Frage, bleibt die Eurozone erhalten, wie sie ist? Oder haben wir eine Art Dominoeffekt, jetzt Griechenland, vielleicht können als nächstes Portugal, Spanien oder Italien ihre Schulden nicht zurückzahlen. Dann beginnt die Diskussion jedes Mal von neuem, der Effekt ist jedes Mal größer.“
Wäre ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone eine Alternative?
Die konkreten ökonomischen Folgen sind schwer vorhersehbar. Viele Experten sind sich aber sicher, dass die Auswirkungen für Griechenland und andere Länder des Währungsraums verheerend wären. „Ein Austritt Griechenlands ist schlicht keine Option, da er letztlich niemandem nutzt“, sagt Experte Lothar Heßler vom Düsseldorfer Bankhaus HSBC Trinkaus.
Welche Folgen hätte ein Austritt für Griechenland?
Das könnte den wirtschaftlichen Zusammenbruch bedeuten. Ohne Euro müssten die Hellenen wieder ihre alte Währung Drachme einführen, die vermutlich eine drastische Abwertung erfahren würde. Über billigere Produkte würde dies zwar der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Athens zugute kommen. Viel schwerwiegender wäre aber, dass zugleich die in Euro aufgenommenen Altschulden infolge der Abwertung der neuen eigenen Währung drastisch steigen würden.
„Selbst ein starker Schuldenschnitt würde Griechenlands Probleme dann nicht lösen, da das Land über Jahre hinweg vom Kapitalmarkt abgeschnitten wäre“, unterstreicht Heßler. Hinzu kommt, dass das Land seine Staatsausgaben mangels Kreditfähigkeit nur aus seinen Einnahmen finanzieren könnte. Die Folge wäre ein vermutlich noch viel stärkerer Abschwung als bisher.
Ist ein Austritt Griechenlands im Interesse anderer Euro-Länder?
Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht. An den Finanzmärkten würden nach einem Euro-Austritt wohl schnell andere finanzschwache Länder unter Druck geraten, möglicherweise auch wirtschaftsstarke Länder. Denn letztlich könnte sich kein Investor mehr darauf verlassen, dass nicht auch andere Länder - möglicherweise in Verbindung mit einem Schuldenschnitt - aus dem Euroraum ausscheren. Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen entsprechender Länder würden drastisch steigen, und die jeweiligen Länder ähnlich wie Griechenland an den Rand der Zahlungsunfähigkeit führen. Letztlich könnte so der gesamte Währungsraums ins Wanken geraten.
Ökonomen der Commerzbank analysierten vergangenen Freitag, bei einer Pleite Griechenlands wären die damit verbundenen Risiken „nicht zuletzt vor dem Hintergrund der angespannten Lage an den Finanzmärkten kaum beherrschbar“.
Können die anderen Euroländer Griechenland einfach rauswerfen?
Nein, das sehen die EU-Verträge nicht vor.
Gibt es eine Alternative zu Pleite und Austritt?
Wichtig ist vor allem, dass Athen seine Hausaufgaben macht und keine neuen Schulden anhäuft: Der Staat muss verschlankt werden, die Steuerhinterziehung bekämpft, die Privatisierung von Staatseigentum muss weitergehen. Zudem muss das zweite Rettungspaket für Athen umgesetzt werden, dass bis 2014 die Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt garantiert und dem Land so Zeit für tiefgreifende Reformen geben soll.
„Es handelt sich um die härtesten Reformen, die es seit dem Zweiten Weltkrieg in einem westlichen Land gegeben hat“, sagt Schulz. Dennoch gibt der Ökonom Athen eine Zukunft, wenn es auch Jahrzehnte dauern könnte, bis das Land wieder wettbewerbsfähig ist: „Aber das ist immer noch ein besseres Szenario, als dass Griechenland umfällt und weitere Länder mitreißt und wir eine noch größere globale Finanzkrise haben als wir sie nach Lehman hatten.“