Porträt Hillary Clinton: Staatsfrau im Wartestand
Washington (dpa) - Als Hillary Clinton vor kurzem gefragt wurde, welchen Staatschef sie bewundere, war die demokratische Präsidentschaftskandidatin vorbereitet. Ihre Antwort kam schnell, und natürlich wählte sie keinen Mann.
Sie wählte Angela Merkel.
Als das „Forbes“-Magazin im Juni die mächtigsten Frauen der Welt kürte, landete die deutsche Kanzlerin zum sechsten Mal in Folge auf Platz eins. Clinton kam auf Platz zwei, wie schon im Vorjahr. Aber bald könnte sie Merkel ablösen. Clinton könnte Geschichte schreiben und am 8. November die erste Präsidentin der USA werden.
Doch sicher ist ihr der Sieg nicht, auch wenn er jüngsten Umfragen zufolge wieder wahrscheinlicher geworden ist. Ungeachtet dessen haben sowohl Clinton als auch ihr republikanischer Konkurrent Donald Trump historisch schlechte Beliebtheitswerte. „Unser Land hat eine sehr komplizierte Beziehung zu Hillary Clinton“, schreibt die Autorin Joanne Bamberger.
Clinton war First Lady, Senatorin und Außenministerin. Sie steht seit fast 25 Jahren im Licht der Öffentlichkeit. Längst hat jeder eine Meinung zu ihr - vielleicht ist das ihr größtes Problem.
Die 68-Jährige bietet eine endlose Projektionsfläche negativer Eigenschaften: korrupt, hinterhältig, betrügerisch. Bei Mitstreitern gilt sie als ein wenig arrogant. Ehemalige Mitarbeiter aus dem Außenministerium beschreiben sie als herrisch, in ihrem Arbeitseifer und Perfektionsdrang soll sie manchmal auch ungerecht und beratungsresistent sein.
In diesem Wahljahr wurde ihr vor allem das angelastet, was sie offenbar nicht ist: volksnah, warmherzig, leidenschaftlich.
Hillary Diane Rodham wurde am 26. Oktober 1947 in Chicago geboren. Ihr Vater Hugh Rodham war Textilunternehmer und Republikaner. Er soll in der Familie wie ein Militärausbilder geherrscht haben. Ihre Mutter Dorothy hatte eine schwere Kindheit, arbeitete früh und bleute ihren Kindern später ein, viel zu lernen. Sie war eine intelligente Frau, die Bücher verschlang.
Die Lebensgeschichte ihrer Mutter erzählt Clinton in Reden immer wieder. Sie zeichnet dann das Bild einer hart arbeitenden Frau, warmherzig und liebevoll. Die Geschichte ihrer Mutter nutzt sie im Wahlkampf als Beispiel für den Kampf der Frauen um gleiche Rechte. Ihr eigener Kampf soll Clinton nun ins Weiße Haus führen.
Ihren Vater erwähnte sie lange nicht öffentlich. Das änderte sich erst in diesem Sommer, als sie vor Menschenmengen in Michigan oder Iowa plötzlich seine Tugenden als Unternehmer pries. Er wurde zur Personifikation der amerikanischen Mittelschicht stilisiert: der ehrliche, hart arbeitende Geschäftsmann - das genaue Gegenteil des scheinbar windigen Unternehmers Donald Trump.
Hillary Clinton - das ist immer auch Bill Clinton. Das macht sich besonders dann bemerkbar, wenn von „den Clintons“ die Rede ist. Eine Symbiose, die einer Machtmaschinerie gleicht. Für viele repräsentieren sie damit das verhasste Establishment. Er steht für die Politik der Neunziger - doch das ist heute nicht mehr gefragt.
Das Paar lernte sich 1971 an der Elite-Universität Yale kennen, beide studierten Jura, beide waren politisch aktiv. Er hielt mehrmals um ihre Hand an, sie sagte mehrmals nein - so erzählen sie es beide.
Hillary unterrichtete als Professorin an der Universität von Arkansas. Sie sammelte während der Watergate-Affäre erste Erfahrungen in den politischen Kreisen Washingtons, sie arbeitete als Rechtsanwältin in einer renommierten Kanzlei. Bill wurde Gouverneur von Arkansas, später Präsident. Sie kämpfte als First Lady für eine Gesundheitsreform, scheiterte aber am Kongress.
Vieles hat über die Jahre an Hillary Clintons Image gekratzt. Nicht zuletzt die Skandale ihres Mannes, darunter die Affäre mit seiner Praktikantin Monica Lewinsky.
Nach der Amtszeit ihres Mannes wurde sie Senatorin für den Bundesstaat New York. 2008 wollte sie schon einmal Präsidentin werden, unterlag damals aber in den Vorwahlen dem jungen Senator Barack Obama. Er wurde Präsident, sie Außenministerin.
Aus ihrer Amtszeit blieben vor allem zwei Dinge hängen: Ihr wurde der Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi mit vier Toten angelastet. Zudem wurde sie heftig kritisiert, weil sie dienstliche E-Mails über einen ungesicherten Privatserver verschickte. Das FBI ermittelte in der Sache, stellte aber keine strafbare Handlung oder Absicht fest. Bei vielen blieb aber das Bild hängen, dass Clinton eine Politikerin ist, die etwas zu verbergen hat.