Hintergrund: Rücknahmeabkommen, Flüchtlingspakt und Drohungen
Istanbul (dpa) - Der türkische Staatspräsident Erdogan hat damit gedroht, das Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen mit der EU nicht wie geplant zum 1. Juni umzusetzen. Damit würde nicht automatisch sofort der gesamte Flüchtlingspakt zwischen der Türkei und der EU außer Kraft gesetzt.
Das Rücknahmeabkommen und der Flüchtlingspakt sind grundsätzlich zwei verschiedene Abmachungen. Auch hieße das nicht unbedingt, dass die Türkei die Rücknahme von Flüchtlingen von den griechischen Ägäis-Inseln sofort einstellt.
Erdogan bezieht sich auf ein Abkommen mit der EU zur Rücknahme von Flüchtlingen und zur Visaliberalisierung von Ende 2013. Darin war ursprünglich die Rücknahme von Flüchtlingen aus Drittstaaten erst ab Oktober 2017 vorgesehen. Bei Erdogans Drohung geht es um eine Vereinbarung der EU und Ankaras, die Rücknahme durch die Türkei auf den 1. Juni diesen Jahres vorzuziehen.
Die Rücknahme von illegalen Migranten durch die Türkei erfolgt derzeit nicht im Rahmen des Ende 2013 vereinbarten Abkommens. Sie ist im EU-Flüchtlingspakt im März als Sofortmaßnahme in der Krise verabredet worden. Diese Rücknahme läuft auf Grundlage eines Abkommens zwischen der Türkei und Griechenland und erstreckt sich nur auf die griechischen Ägäis-Inseln.
Vom 1. Juni an sollten Flüchtlinge aus Drittstaaten dann auf Basis des breiter gefassten Rücknahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei von Ende 2013 zurückgeschickt werden. Damit hätte die Regierung Ankara auch Flüchtlinge zurücknehmen müssen, die über die Türkei beispielsweise nach Italien fliehen.
Wie das türkische Parlament - wie von Erdogan angedroht - die Umsetzung des Abkommens zum 1. Juni verhindern kann, ist unklar. Das Gesetz zur vorzeitigen Umsetzung des Rücknahmeabkommens wurde bereits am 20. Mai im türkischen Amtsblatt veröffentlicht und trat damit in Kraft. Das Parlament hatte das Gesetz schon am 3. Mai beschlossen. Würde das Abkommen nun nicht umgesetzt, wäre das Vertragsbruch.