Hintergrund: Was die Deutschen und die Europäer wollen

Berlin (dpa) - Die Abhör-Affäre um das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zu einer Belastung der transatlantischen Beziehungen geführt. Die Bundesregierung will den Datenschutz gegenüber den USA nun in mehreren Bereichen zum Thema machen.

In der Europäischen Union hat sie dabei eine ganze Reihe von Verbündeten. Andere - wie Großbritannien oder Irland - finden sich eher auf der Seite der USA wieder. Im Folgenden ein Überblick:

GOOGLE, FACEBOOK & CO:

Die Übermacht von US-Konzernen wie Google oder Facebook macht den Europäern schon lange Sorgen. Verbesserungen soll eine EU-Datenschutzreform bringen. Ein wichtiger Punkt: Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU sollen sich in Europa an EU-Datenschutzregeln halten müssen. Sonst drohen Sanktionen. Bislang müssen sie sich ans nationale Recht halten - im jeweiligen EU-Land, wo sie ihre europäische Niederlassung haben. Facebook etwa sitzt in Irland. Dort haben Firmen beim Datenschutz mehr Freiheiten als anderswo.

Nutzer sollen künftig aktiv und bewusst der Weiterverwendung ihrer Daten zustimmen müssen. Wenn US-Behörden Daten verlangen, braucht eine Firma das Okay vom zuständigen nationalen Datenschutzbeauftragten. Wenn sich das Europaparlament und die EU-Staaten rasch einigen, könnte die Reform bis Frühjahr 2014 stehen. Es könnte aber auch bis 2015 dauern.

SWIFT-ABKOMMEN:

Damit erlaubt die EU seit 2010 US-Terrorfahndern den gezielten Blick auf die Kontobewegungen von Verdächtigen - was eigentlich nur unter strikten Auflagen möglich ist. Eine systematische Überwachung des Banknetzwerks sollte es nicht geben. Doch genau das ist passiert. Der belgische Dienstleister Swift, der Überweisungen von Bankkunden weltweit abwickelt, war ein Spähziel der NSA.

EU-Kommissaren Cecilia Malmström drohte schon Ende September: „Wenn die Vorwürfe wahr sind, stellen sie einen Bruch des Vertrages dar, was zu einer Aussetzung des Abkommens führen kann.“ Das Europaparlament forderte die Aussetzung des Abkommens, noch bevor die Überwachung von Merkels Handy bekannt war. Die Kanzlerin selbst sagte auf dem EU-Gipfel in Brüssel, sie habe dafür „gewisses Verständnis“.

FREIHANDEL:

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) forderte gleich nach den ersten Berichten über die Abhöraktion gegen Merkel, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA auszusetzen. Dem schlossen sich in Deutschland vor allem Politiker der Linken und Grünen an. Merkel selbst lehnte dies ab.

EU und die USA hatten im Juli mit Verhandlungen über die größte Freihandelszone der Welt begonnen. Am Ende soll ein riesiger gemeinsamer Wirtschaftsraum ohne Zölle, Quoten und andere Handelsbarrieren stehen. Das könnte Einsparungen in dreistelliger Milliardenhöhe bringen. Deutschland würde als Exportnation enorm profitieren. Wegen der NSA-Aktionen wird jetzt darüber diskutiert, verbindliche Datenschutzregeln ins Abkommen aufzunehmen.

UN-RESOLUTION:

Gemeinsam mit Brasilien arbeitet Deutschland an einer Resolution für die Vollversammlung der Vereinten Nationen, mit der die amerikanischen Späh-Aktivitäten kritisiert werden. Im Entwurf werden die USA zwar namentlich nicht erwähnt, doch die Zielrichtung ist klar. Die Resolution soll den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ergänzen, mit dem „willkürliche oder illegale Eingriffe in die Privatsphäre, die Familie, die Wohnstätte oder den Briefverkehr“ untersagt werden. Solche Resolutionen haben keine bindende Wirkung, aber starke symbolischen Charakter. In der Vollversammlung dürfte es eine klare Mehrheit geben.

NO-SPY-ABKOMMEN:

Bereits im August hatte die Bundesregierung einen Katalog von Maßnahmen beschlossen, der in ein „No-Spy-Abkommen“ mit Washington eingehen soll. Über den Stand der Verhandlungen ist nichts bekannt. Jetzt erhalten die Forderungen nach einem zügigen Abschluss neue Dringlichkeit. Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande kündigten auf dem EU-Gipfel in Brüssel bilaterale Gespräche mit den USA auf Ebene der Dienste an. Es gibt jedoch massive Zweifel daran, dass sich die USA an solche Vereinbarungen wirklich halten.

Beispiel könnte die „Fünf-Augen“-Initiative sein, in der sich die USA, Großbritannien, Kanada, Neuseeland und Australien verpflichtet haben, sich nicht gegenseitig auszuspionieren. Ein Beitritt Deutschlands zu diesem Abkommen gilt aber als unwahrscheinlich.