Investoren nehmen Italien immer stärker ins Visier
Rom/Madrid/Straßburg (dpa) - Die Luft wird dünner: Während Anleger und Euro-Retter vor den Neuwahlen in Griechenland am Wochenende zittern, rückt nach Spanien nun auch Italien immer stärker ins Visier der Investoren.
Zwei Wochen vor dem EU-Gipfel in Brüssel drängt EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zur Eile. Die Regierungen müssten in Richtung Fiskal- und Bankenunion gehen, sagte Barroso am Mittwoch im EU-Parlament und sprach von einem „entscheidenden Augenblick“. Europa brauche eine Vision und einen klaren Weg, wie man dahin gelangen könne. „Ich bin mir nicht sicher, ob die Dringlichkeit dieser Frage in allen Hauptstädten so wahrgenommen wird.“
Für Italien, nach Deutschland und Frankreich drittgrößte Ökonomie im Euroland, wird selbst die Aufnahme von kurzfristigem Geld immer teurer. Bei einer Auktion von Geldmarktpapieren mit einer Laufzeit von zwölf Monaten verlangten Investoren am Mittwoch Zinsen in Höhe von 3,97 Prozent, die aus Angaben der italienischen Schuldenagentur in Rom hervorgeht. Bei der letzten vergleichbaren Versteigerung am 11. Mai waren es noch 2,34 Prozent. Die nächste Nagelprobe steht bereits an diesem Donnerstag an, wenn längerlaufende Anleihen versteigert werden sollen.
Das Land droht, in der Rezession zu versinken, was die Haushaltssanierung erschwert. Italien selbst wehrt sich indes mit Händen und Füßen gegen das Image als Krisenkandidat: Ministerpräsident Mario Monti sagte dem ARD-Hörfunk in Rom, das Land habe zwar hohe Staatsschulden, aber inzwischen eine viel solidere Haushaltspolitik. „Der Staatshaushalt wird dieses Jahr mit einer nur geringen Neuverschuldung abgeschlossen, mit 2 Prozent.“ Und im kommenden Jahr werde es einen Überschuss geben.
„Ich verstehe, dass man Italien durch seine Vergangenheit als lustiges, undiszipliniertes Land begreifen kann“, räumte Monti ein. „Aber momentan ist Italien disziplinierter als viele andere europäische Länder - und es ist auch nicht besonders lustig. Aber es unternimmt die richtigen Dinge, um ein solides Land zu werden.“ Als Dreh- und Angelpunkt für Italiens Budgetsanierung und wieder auskömmliche Konditionen an den Finanzmärken sieht Monti, dass sein Land bald wieder auf Wachstumskurs gehen kann - und verlangte vom EU-Gipfel ein glaubwürdiges Paket zur Förderung von Wachstum. Dann werde sich die für Italien derzeit wieder angespannte Lage bei den Anleihezinsen verringern, sagte er in Rom vor der Abgeordnetenkammer. „Wir sehen ganz gelassen, wie Italien sich im internationalen Rahmen präsentiert.“
Rückendeckung bekam Monti von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: Italien habe unter Monti bemerkenswerte Fortschritte gemacht, sagte der CDU-Politiker am Abend in Berlin bei einer Auszeichnung des italienischen Regierungschefs. Bei der Sanierung der Staatsfinanzen seien in den vergangenen sechs Monaten Erfolge erreicht worden. Er sei überzeugt, dass die italienische Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs einschwenke, sagte Schäuble bei der Verleihung eines Preises für „verantwortliche Führung“. Die Euro-Länder benötigten ein starkes Italien: An die Adresse Montis sagte er: „Du bist der richtige politische Führer zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“
Die geplante Milliarden-Hilfe der Europäischen Union für spanische Banken geht nach Angaben der Madrider Regierung nicht zulasten der Steuerzahler. „Die Kredite sind für die Banken bestimmt, und es werden auch die Geldhäuser sein, die das Geld zurückzahlen werden“, sagte der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy am Mittwoch im Parlament. Nach den EU-Bestimmungen muss allerdings die Regierung die Gelder aus den EU-Rettungsfonds beantragen und für die Rückzahlung bürgen.
Im Falle Spaniens sind die Konditionen der Notkredite in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro zur Sanierung des dortigen Bankensystems weiterhin offen. „Es gibt weder eine Entscheidung über die Rückzahlungsfrist noch über den Zinssatz“, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel. „Nichts ist entschieden, noch nicht einmal diskutiert.“ Denn bislang habe Madrid noch keinen offiziellen Antrag auf Hilfe gestellt. Die Madrider Zeitung „El Mundo“ hatte bereits angebliche Details enthüllt. Demnach solle Spanien für die Kredite 3,0 Prozent Zinsen zahlen und das Geld innerhalb von 15 Jahren zurückzahlen müssen. „El Mundo“ berief sich auf Unterhändlerkreise.
Der spanische Wirtschaftsstaatssekretär Fernando Jiménez Latorre betonte, ein Zinssatz von 3,0 Prozent und eine Laufzeit von 15 Jahren wären „sehr attraktive Bedingungen“. Eile sei allein bei der Hilfe für die Großbank Bankia geboten. Die übrigen Geldinstitute, die Hilfen benötigten, sollten die Notkredite nach den Sommerferien erhalten.
Wie Madrid am Mittwoch bekanntgab, hatte Spanien die EU zu einer stärkeren Integration auf dem Gebiet der Steuern und der Banken aufgefordert. Dieser Appell sei in einem Schreiben enthalten, das der spanische Ministerpräsident Rajoy dem EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy und dem EU-Kommissionspräsidenten Barroso übermittelte. Rajoy wolle diese Forderung auch auf dem Vierergipfel von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien am 22. Juni in Rom zur Sprache bringen.
Derweil konnte Deutschland zur Wochenmitte abermals problemlos den Kapitalmarkt anzapfen - allerdings zu etwas höheren Zinsen. Bei einer Aufstockung zehnjähriger Staatsanleihen stieg die zu zahlende Rendite von 1,47 Prozent - ein Rekordtief, das bei einer entsprechenden Auktion Mitte Mai erzielt worden war - auf 1,52 Prozent.