IOC-Vize Thomas Bach vor dem olympischen Gipfelsturm

Berlin (dpa) — In einem taubenblauen Anzug und mit gefalteten Händen verkündete Thomas Bach ruhig seine präsidialen Pläne. Als Reformer und Bewahrer will der 59-Jährige das Erfolgsmodell Olympia in die Zukunft führen.

Mit dem mutigen Schritt, als Erster seine Ambitionen auf das wichtigste Amt im Weltsport öffentlich zu machen, hat der IOC-Kronprinz seinen Führungsanspruch demonstriert — und seine Favoritenstellung manifestiert. „Das ist eine einmalige Gelegenheit, dem Sport vieles zurückzugeben. Das ist meine Motivation“, sagte Bach am Donnerstag im Haus des deutschen Sports in Frankfurt/Main vor neun Kamerateams und knapp 50 Journalisten.

Der Wirtschaftsanwalt aus Tauberbischofsheim ist vorsichtig optimistisch, hat aber schwer berechenbare Gegner. Für eine mögliche Münchner Olympia-Kandidatur um die Spiele 2022 sei seine erfolgreiche Wahl „eher positiv“, so Bach. Auch Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) bewertete die Ankündigung als „positive Ausstrahlung“ für die bayerischen Olympia-Träume.

Die 125. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wird am 10. September in Buenos Aires entscheiden, wer als neunter IOC-Präsident die Nachfolge des Belgiers Jacques Rogge antritt. Nach den gescheiterten Bemühungen von Willi Daume 1980 ist Bach erst der zweite Deutsche, der den olympischen Gipfelsturm versucht. In einem Brief hatte er Rogge und die restlichen IOC-Mitglieder über sein Vorhaben informiert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich erfreut über die Nachricht. Merkel schätze Bach, sagte eine Regierungssprecherin. „Die Bundeskanzlerin begrüßt seine Kandidatur sehr und wünscht ihm Erfolg.“ Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stellte fest: „Kaum jemand vereint so viel Erfahrung als Sportler wie als Sportfunktionär auf sich.“ Auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach gratulierte Bach zu dessen Schritt: „Für den gesamten deutschen Sport wäre es ein Zeichen größter Anerkennung, sollte er an die Spitze des IOC gewählt werden.“

FIFA-Boss Joseph Blatter lobte den Mut des Franken. „Das ist taktisch ein guter Schritt. Man muss Courage haben, sich in einem Wahlkampf als Erster darzustellen. Das finde ich gut“, sagte der Präsident des Fußball-Weltverbandes der Nachrichtenagentur dpa.

Sein Wahlprogramm will Bach bei der offiziellen Abgabe seiner Kandidatur in etwa vier Wochen vorstellen. Bisher hat sich der einflussreiche Netzwerker als Vertreter der traditionellen olympischen Werte positioniert. Wie er den Ringe-Zirkel zukunftsfähig machen will, offenbarte Bach in einem Schreiben, das der dpa vorliegt. Darin versprach er seinen Kollegen, er wolle die olympische Bewegung als „Einheit in Vielfalt“ stärken und voranbringen.

Bach will das sportliche Weltparlament für Diskussionen mit hochrangigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur öffnen. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) steht für eine Null-Toleranz-Politik im Anti-Doping-Kampf, eine Modernisierung des Olympia-Programms, eine Reform der Jugendspiele und eine Eindämmung des Gigantismus, mit der das Problem der sinkenden Zahl olympischer Bewerberstädte gelöst werden soll.

Nach seinem Olympia-Gold 1976 mit der Florett-Mannschaft hat der Multifunktionär seit seiner Aufnahme ins IOC 15 Jahre später durch verschiedene Rollen praktisch alle Facetten des Premiumprodukts Olympia kennengelernt. Als Vorsitzender der Juristischen Kommission und Chef der Disziplinarkammer bei Olympischen Spielen ist Bach längst ein unentbehrlicher Zuarbeiter für Rogge. Bereits dreimal wurde er zum IOC-Vize gewählt. Jetzt will er ganz nach oben.

Sein härtester Rivale im Ringen um den begehrten Posten, Richard Carrion, will seine Kandidatur zeitnah ebenfalls bekanntgeben. Der 60 Jahre alte Banker aus Puerto Rico, Direktor der Finanz-Kommission im IOC und damit wichtigster Geldbeschaffer für Rogge, hat für die Olympier den Rekord-TV-Deal mit dem US-Giganten NBC über 4,382 Milliarden Dollar für die Spiele 2014 und 2016 ausgehandelt.

Neben Carrion werden als ernstzunehmende Konkurrenten Ser Miang Ng aus Singapur, Organisator der ersten Jugendspiele und Hoffnungsträger der aufstrebenden Sportmacht Asien, Stabhochsprung-Weltrekordler Sergej Bubka aus der Ukraine und die Schweizer IOC-Granden René Fasel, Chef der olympischen Wintersportverbände, und Denis Oswald, Anführer der olympischen Sommersportverbände, gehandelt. Nur einmal in der Historie wurde das IOC von einem Nicht-Europäer angeführt — von 1952 bis 1972 vom US-Amerikaner Avery Brundage.

Bach hat als DOSB-Gründungspräsident in seiner bisher siebenjährigen Amtszeit bewiesen, dass er Politik und Wirtschaft erfolgreich zusammenführen kann. Für den deutschen Sport hätte seine internationale Beförderung historische Dimensionen. Anders als von Rogge gefordert will Deutschlands Ober-Olympier ehrenamtlicher IOC-Präsident bleiben.

Bach hat durch sein Bekenntnis für Klarheit gesorgt, aber auch viele Fragen aufgeworfen. Wann würde er bei einem Wahlsieg in Buenos Aires sein DOSB-Amt abgeben? Wer könnte dann für eine taugliche Langzeitlösung in der deutschen Dachorganisation sorgen, und wie will der DOSB mit einem Führungsvakuum eine mögliche Münchner Olympia-Bewerbung um die Winterspiele 2022 erfolgreich stemmen? In der DOSB-Präsidiumssitzung am Montag in Hamburg werden erste Antworten erwartet.