Logistik: Wie Bayern das Chaos verhindert

München (dpa) - Irgendwann in diesen denkwürdigen Stunden auf dem Münchner Hauptbahnhof sind auch diese Zahlen plötzlich nichts Besonderes mehr: Es ist mitten in der Nacht auf Sonntag, als binnen weniger Minuten zwei Sonderzüge und ein weiterer Zug in den Bahnhof einfahren, an Bord - so schätzt die Bundespolizei - insgesamt rund 2000 Flüchtlinge.

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Es ist noch nicht lange her, da hätte eine solche Zahl unausweichlich Chaos ausgelöst. Nicht aber an diesem Wochenende, an dem man schon unter Beweis gestellt hat, dass man mit vorher Undenkbarem umgehen kann: Fast 7000 Flüchtlinge reisten am Samstag binnen 24 Stunden per Zug über München nach Deutschland ein.

In der Nacht auf Samstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ihrem österreichischen Amtskollegen vereinbart, dass die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge nach Österreich und Deutschland einreisen dürfen. Was aber mit den Tausenden Menschen geschieht, die jetzt endlich auf der letzten Etappe ihrer oft verzweifelten Flucht vor Krieg und Terror sind, das muss nun in München geklärt werden.

Nun weiß man: Der Wochenbeginn, als schon einmal einige tausend Flüchtlinge binnen eines Tages München erreichten, war nur eine Art Vorübung. Denn am Samstag kommen nun doppelt so viele Flüchtlinge an. Von Chaos aber keine Spur: In einer logistischen Meisterleistung schaffen es die Verantwortlichen, die Behörden und die unzähligen ehrenamtlichen Helfer, für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen.

Im Abstand weniger Stunden kommen alle Beteiligten am Wochenende zu Lagebesprechungen zusammen, koordiniert vom Regierungspräsidenten von Oberbayern, Christoph Hillenbrand. Mit dabei unter anderem: Bahn, Bundespolizei, Landespolizei, Hilfsorganisationen, Ehrenamtliche, Stadt und ein Vertreter des Sozialministeriums. Im Ministerium wiederum gibt es einen eigenen Stab, der die Weiterverteilung der Flüchtlinge innerhalb Bayerns und in andere Bundesländer organisiert.

Das hatte die Staatskanzlei am Samstag - nach Merkels Entscheidung - auf die Schnelle mit den anderen Ländern vereinbart: dass die Flüchtlinge nach einem bestimmten Schlüssel auf alle Bundesländer aufgeteilt werden sollen, ohne dass sie vorher registriert werden.

Konkret läuft es am Samstag so: Von den knapp 7000 Flüchtlingen in 26 Zügen werden rund 2500 direkt in andere Bundesländer weitergeleitet. Einige Züge fahren direkt weiter, andere Flüchtlinge müssen zuvor am Münchner Hauptbahnhof umsteigen. Mehr als 4500 Menschen allerdings werden direkt in München in Empfang genommen, untersucht, versorgt und mit S-Bahnen und Bussen in eilends hergerichtete Aufnahmezentren gebracht. Von hier aus sollen sie dann per Bus innerhalb Bayerns weiterverteilt werden - und eben in andere Bundesländer.

Wie vielerorts in Bayern und anderswo, so haben die Behörden auch in München eilends Hallen organisiert, in denen die Flüchtlinge als erstes unterkommen können: zwei große Messehallen sowie eine alte Halle in der Nähe des S-Bahnhofs Donnersbergerbrücke, die abgerissen werden soll. Binnen nicht einmal 48 Stunden hat Hillenbrand das Gebäude notdürftig herrichten lassen. Containerweise Müll musste weggebracht, Elektrik und Sanitäranlagen mussten installiert werden.

Hillenbrand, einer der wichtigsten Krisenmanager in diesen Stunden, zieht ein positives Zwischenfazit: Es läuft alles. Irgendwie. Dass keiner an die Registrierung der Flüchtlinge denkt, ist zweitrangig.

Die CSU macht derweil aber schon einmal sehr klar, dass es so nicht weitergehen könne. Stinksauer sind die Christsozialen auf Merkel, dass sie die Tausenden Flüchtlinge einfach so hat einreisen lassen. In einer eigens einberufenen Telefonkonferenz sei dies einmütig als „falsche Entscheidung“ gerügt worden, berichtet Generalsekretär Andreas Scheuer anschließend. Mehrere Präsidiumsmitglieder hätten vor einer „zusätzlichen Sog-Wirkung“ gewarnt.

„Deutschland kann diese neuzeitliche Völkerwanderung nicht alleine lösen“, betont Scheuer. Das CSU-Präsidium und Parteichef Horst Seehofer hätten aber auch das Engagement und die Leistung der vielen ehrenamtlichen Helfer gelobt.

Diese ehrenamtlichen Helfer und die Behörden, die packen derweil einfach weiter mit an, am Bahnhof und an vielen anderen Orten. Es ist spät am Abend, als Hillenbrand müde, aber zufrieden feststellt, was man in den vergangenen Stunden geleistet habe: „Die Flüchtlinge versorgt, medizinisch untersucht. Getröstet. Hoffnung gegeben.“