Malala Yousafzai: Sympathischer Teenager und Überflieger
London/Islamabad (dpa) - Malala Yousafzai ist mit ihren 17 Jahren keine junge Frau wie alle anderen. Die junge Friedensnobelpreisträgerin ist eine Ikone, seit ihr die Taliban vor zwei Jahren bei einem Anschlag in ihrem Heimatland Pakistan ins Gesicht schossen.
Ihr Ansinnen, das Mädchen auszuschalten, sollte sich als gewaltiger Fehlschlag entpuppen. Malala wurde zur bewunderten Vorkämpferin für Mädchenrechte in aller Welt.
Seit jenem 9. Oktober 2012 änderte sich Malalas Leben drastisch: Sie sprach vor den Vereinten Nationen, sie sammelte internationale Auszeichnungen am Fließband. Sie war bei Präsident Barack Obama zu Hause im Weißen Haus und bei Queen Elizabeth II. im Buckingham Palast. Angelina Jolie kam zu ihr nach Birmingham zum Tee.
Das klug und überlegt auftretende Mädchen, das nach außen schon so reif und erwachsen wirkt, bietet den Taliban mutig die Stirn. „Nach dem Attentat wollte ich Ärztin werden. Jetzt will ich Politikerin werden, eine gute Politikerin“, sagte sie am Freitag. In ihren Reden vor teils großem Publikum schafft sie es, auch abgebrühteste Politiker, Diplomaten und Wirtschaftsbosse zum Nachdenken zu bringen. „Wir bemerken erst, wie wichtig unsere Stimme ist, wenn wir zum Schweigen gebracht werden“, schrieb sie in ihrem Buch „I am Malala“.
Malala war schon im Alter von elf Jahren bekannt. Unter einem Pseudonym hatte sie für den Sender BBC ein Tagebuch in Urdu geführt - über das Leben unter dem strikten Gesetz der Scharia, über den Bürgerkrieg und das Morden in ihrer geliebten Heimat, dem Swat-Tal. Die Bergregion war lange Zeit in der Hand der Taliban. Deren radikal-islamische Lehre stellt Bildung für Frauen unter Strafe. Malalas Vater Ziauddin, der eine Schule im Swat-Tal betreibt, schickte sie dennoch in den Unterricht.
Ihre wahre Identität gab Malala erst preis, als die Taliban offiziell vertrieben waren. Die Gotteskrieger fühlten sich so sehr von ihr provoziert, dass sie zurückkamen und ihren Schulbus überfielen. „Wer ist Malala?“, soll einer der Angreifer gefragt haben. Dann schoss er dem Mädchen kaltblütig in den Kopf.
Es folgte eine Odyssee mit mehreren Notoperationen - schließlich wachte sie in einem Krankenhaus im britischen Birmingham wieder auf. Sie hatte Glück: Die Kugel war ihr quer durch den Schädel gedrungen, hatte aber nicht das Hirn verletzt. Die Ärzte stellten sie wieder her. Im Gesicht sieht man noch Narben, das Gehör ist geschwächt. Die Schädeldecke wurde ihr abgenommen und unter der Bauchdecke im eigenen Körper deponiert - damit die Schwellung des Hirns Platz hat.
Malala musste um ihr blankes Leben kämpfen. Heute kämpft sie um das anderer. Ihren 17. Geburtstag feierte die Teenagerin in Nigeria, wo sie sich für die von Boko-Haram-Kämpfern entführten Mädchen einsetzt. In Pakistan wurde sie zur Heldin. „Sie ist großartig“, sagt eine ihrer ehemaligen Klassenkameradinnen. „Wir wollen alle sein wie sie. Ihr Mut und ihre Selbstvertrauen sind eine Inspiration.“ Ihren Namen will das Mädchen aber nicht nennen. Zu groß ist die Angst vor der Rache der Taliban.
Ihre Familie hofft, dass Malala bald in ihre Heimat zurückkehrt. „Für unsere Familie ist sie etwas ganz Besonderes“, sagt ihr Cousin Mahmood ul-Hassan Yousafzai. Der Nobelpreis sei toll, aber: „Für uns ist am Wichtigsten, das sie nach dem schrecklichen Vorfall noch lebt.“ Wo auch immer: Malala wird ihren Kampf für Kinderrechte fortsetzen. Der Nobelpreis sei eine Ermutigung für sie, sagte sie in Birmingham und dankte ihrem Vater: „Er hat meine Flügel nicht beschnitten, er lässt mich fliegen.“
Zumindest im Swat-Tal scheint Malalas Einsatz Früchte zu zeigen: Offiziellen Statistiken waren im Schuljahr 2013-14 dort 140 000 Mädchen an staatlichen Schulen eingeschrieben, sagt Jamaluddin Khan von der Zeitung „Dawn“. Vor zwei Jahren waren es nur 99 477 Mädchen. „Malala, ihre Kampagne und der Angriff auf sie waren sicherlich Faktoren dafür“, meint Khan.
Doch Malala hat in Pakistan noch immer viele Gegner. Auch Neider sind darunter, die Malala ihre plötzliche Prominenz nicht gönnen. Religiöse Eiferer lehnen das engagierte Mädchen ohnehin ab, und die Taliban bedrohen sie weiterhin. Ihre Gegner würden Malalas Motive in Zweifel ziehen, sagt die Anthropologin Samar Minallah. „Pakistan schätzt sie nicht so sehr, wie der Rest der Welt es tut.“