München nach Attentat in Angst und Trauer

München (dpa) - Es ist die Fassungslosigkeit am Morgen danach: Mit einem Strauß roter Rosen steht Naim Zabergja etwas unsicher auf der Rückseite des Olympia-Einkaufszentrums (OEZ) im Nordwesten Münchens.

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In der Hand hält er ein Foto: Der 20-Jährige darauf lächelt offen und freundlich in die Kamera, die Haare sorgsam gestylt. „Das war mein Sohn“, sagt Zabergja und hält die Fotografie in die Kamera. Nun ist der junge Mann tot, so wie neun andere Menschen, darunter der mutmaßliche Täter. In Sichtweite des Ortes, wo am Freitagabend die Schüsse fielen, legen Passanten, Freunde und Angehörige immer wieder Blumen und Kerzen nieder. Bis spät in die Nacht hatte die Angst vor dem Terror die Stadt München fest im Griff. Allmählich kehrt der Alltag ein, wenngleich die Stimmung gedrückt ist.

Das OEZ in einem der ärmeren Stadtviertel im Nordwesten Münchens, in dem viele Migranten wohnen, bietet viele Restaurants und Geschäfte. Alle namhaften Ketten sind hier vertreten. Bei Jugendlichen ist es ein beliebter Treffpunkt. Auch Zabergjas Sohn hatte sich dort mit einem Freund verabredet. An diesem schwülwarmen Sommerabend saßen sie draußen, sie wollten eine Limo trinken. Doch dann kam der Amokschütze und feuerte Schüsse ab.

„Sein Freund ist weggelaufen, meinen Sohn hat er getötet“, erzählt Zabergja, der aus dem Kosovo stammt. Seine Stimme wird heiser, doch er redet weiter. Zwei Töchter hat er noch, vier Enkelkinder. Dijamant war der einzige Sohn, geboren in München. Der 20-Jährige machte eine Ausbildung am Flughafen. Dass er jetzt tot sein soll - für den Vater nur schwer zu begreifen. Am Samstagmorgen um vier Uhr sei die Polizei vor der Tür gestanden und habe ihm die schreckliche Nachricht überbracht. „Ich bin noch in Träumen, ich glaube noch nicht, was passiert ist, auch meine Familie glaubt es noch nicht.“

Wenig später will ein kleiner Junge Teelichte an der provisorischen Gedenkstätte anzünden. Immer wieder müht er sich mit dem Feuerzeug ab, immer wieder löscht ein sanfter Wind die Flamme. Der Dreijährige war mit seinem Vater beim Einkaufen, als die Schüsse fielen. „Ich wohne gleich um die Ecke, ich habe meinen Sohn so schnell wie möglich nach Hause gebracht“, erzählt der Mann mit kurdischen Wurzeln, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt. Er wirkt geschockt. „Ich habe die Verletzten gesehen, zwei Leichen, die bluten“, erinnert er sich. „Ich habe mit einer Mutter eines Verletzten gesprochen, dass es ihren Sohn gut geht und er sagte, ich will nicht sterben aber ich sterbe. Das hat mich fast fertig gemacht.“ Auch sein Sohn muss das Erlebte noch verarbeiten. „Der Junge fragt mich immer wieder: Papa, die schießen noch. Schrecklicher Moment, den wir gesehen haben.“

Erwin Tieslau und seine Lebensgefährtin kamen gerade nach Hause, als das Attentat in vollem Gange war. Ein junger Mann suchte Zuflucht in ihrer Tiefgarage. Und hinter einem Mäuerchen kauerten zwei Frauen und ein Kind. „Wir haben sie mit in die Wohnung genommen“, erzählt Tieslau. Wie viele Münchner bewundert er die Polizei. Davon zeugt auch ein Plakat, das an einem Baum angeklebt wurde: „Danke, dass sie noch Schlimmeres verhindert haben!“.

Die Trauer um die Opfer ist groß. Während anderswo in München wieder der Verkehr rollt und die U-Bahnen fahren, herrscht hier Stillstand. Das Einkaufszentrum bleibt geschlossen. Menschen stehen in Grüppchen zusammen, um gemeinsam zu begreifen, was geschehen ist. Die Verkäufer vor dem Haupteingang des OEZ winken ab. Sie wollen nicht reden über das, was sie am Vortag erlebt haben. Etwas weiter weg flattert ein rot-weißes Absperrband der Polizei, wo sonst viele Autos fahren. Überall Polizeiwägen und Polizisten. In Sichtweite ist links das Schnellrestaurant, auf der Straßenseite gegenüber ein Komplex des Einkaufszentrums. Hier fielen die Schüsse. Journalisten haben ihre Kameras aufgebaut. Sie berichten in alle Welt, viele von ihnen live: Japan, Israel, Italien, Frankreich und viele andere Länder.

Ein junger Vater mit einem kleinen Mädchen kommt an. Die Tochter im niedlichen rosa Kleidchen posiert vor der Absperrung, der Vater setzt sich daneben und schießt Selfies. Beide lächeln ins Handy, während wenige Meter weiter Menschen um Fassung ringen.