Nach Hochwasser-Katastrophe: Ruf nach Versicherungspflicht
München (dpa) - Die Hochwasser-Katastrophe in Süddeutschland hat es wieder offenbart: Unwetter können schnell kommen, heftig zuschlagen und verheerende Schäden anrichten. Deshalb wird derzeit wieder über eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden nachgedacht.
Doch die Branche sieht das kritisch.
Wie sind Wohnhäuser derzeit gegen Unwetterschäden versichert?
Wer in Deutschland eine Wohngebäude- oder Hausratversicherung abschließt, bekommt in der Regel von seinem Versicherer zusätzlich auch eine Elementarschadenversicherung angeboten. Sie deckt etwa Schäden durch Starkregen, Überschwemmung, Hochwasser, Schneedruck und Erdbeben ab. Sturm und Hagel als Risiken wiederum sind - je nach gewählten Vertragsoptionen - in einer Wohngebäudeversicherung enthalten. Nach Angaben des Branchenverbandes GDV wäre für 99 Prozent der Häuser in Deutschland eine Elementarschadenversicherung abschließbar - bei sehr unterschiedlichen Konditionen, Preisen und Selbstbehalten natürlich. Bundesweit aber sind lediglich rund 40 Prozent der Wohnhäuser entsprechend abgesichert. In einigen Regionen, wie im stark betroffenen Bayern, liegt die Quote mit etwa 26 Prozent sogar noch deutlich darunter.
Gab es eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden schon mal in Deutschland?
Ja - und zwar beispielsweise in Baden-Württemberg, wo deshalb nach GDV-Angaben heute noch immer etwa 95 Prozent aller Wohnhäuser entsprechend abgesichert sind. Auch ein Großteil der Kunden der früheren DDR-Versicherung hatte eine solche Versicherung, weil sie quasi automatisch in den Wohngebäude-Verträgen enthalten war. Deshalb traf das verheerende Elbe-Hochwasser im Jahr 2002 Europas größten Versicherer Allianz besonders hart, der die DDR-Versicherung nach der Wende übernommen hatte. Außerhalb Deutschlands hat beispielsweise die Schweiz eine Versicherungspflicht mit Deckelung, das heißt: Wenn eine bestimmte Schadenhöhe erreicht ist, springt der Staat ein.
Wie sieht die Branche eine Versicherungspflicht?
Die Unternehmen halten davon wenig. „Unserer Meinung nach setzt eine Pflichtversicherung falsche Signale, denn sie unterstützt falsche Besiedlungspolitik in vom Hochwasser gefährdeten Gebieten“, sagte eine Allianz-Sprecherin. Auch fürchtet das Unternehmen, dass die Betroffenen dann nicht mehr ausreichend Vorsorge treffen und ihre Werte schützen. „Hinzu kommen verfassungsrechtliche Bedenken“, sagt die Sprecherin. Pflichtversicherungsschutz sei dem Schutz Dritter vorbehalten wie beispielsweise bei der Kfz-Haftpflicht, nicht aber dem Eigenschutz für persönliche Sachschäden. Damit liegt die Allianz auf einer Linie mit dem GDV. „Wenn jeder Schaden in jedem Fall ersetzt wird, bleiben staatlicher und individueller Hochwasserschutz auf der Strecke“, meint GDV-Präsident Alexander Erdland.
Aber würde die Branche nicht von einem Kundenschub profitieren?
Hier sind die Unternehmen skeptisch. Einerseits könnten sich extreme Risiken für die Versicherer ergeben, vor allem wenn sich in Zeiten des Bau-Booms mehr Häuslebauer auch in hochwassergefährdeten Gebieten niederlassen, die dann trotzdem im Falle eines Falles auf Schadenausgleich setzen dürfen. Bei den Beiträgen dürften außerdem nicht alle über einen Kamm geschert werden. Die Kunden selbst kämen bei einer Versicherungspflicht aus Branchensicht nicht unbedingt besser weg - im Gegenteil: Sie müssten mit steigenden Beiträgen bei zugleich harten Einschnitten bei den Entschädigungen rechnen.
Was sagen Verbraucherschützer?
Beim Bund der Versicherten kann man solche Argumente nicht nachvollziehen. Starkregen trete im Sommer in Deutschland zunehmend häufiger auf, könne jede Region treffen und richte immer wieder große Schäden an, erklärt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten. Für alle, die nicht abgesichert sind, seien die Soforthilfen der Bundesländer oft nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Deshalb sieht Kleinlein eine gesetzliche Versicherungspflicht gegen Elementarschäden als den einzig richtigen Weg. Dann müsste jeder Hauseigentümer eine Versicherung abschließen - ohne dass die Versicherer das ablehnen könnten. Damit blieben auch die Prämien für die Versicherungsnehmer bezahlbar, so die Verbraucherschützer.