Öl und Gold wegen Unruhen in Libyen teurer

Berlin (dpa) - Die blutigen Unruhen in Libyen haben die Preise für Öl, Gold und Silber weiter in die Höhe getrieben. Die EU-Kommission zeigte sich am Donnerstag besorgt über die steigenden Ölpreise.

Der Preis für ein Barrel (159 Liter) Nordseeöl der Sorte Brent stieg in der Spitze auf 119,79 Dollar, so hoch wie seit Ende August 2008 nicht mehr. Am Donnerstagabend fiel er auf 113,28 Dollar, das waren noch 2,03 Dollar mehr als am Vortag. Ein Barrel der US-Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) kostete 98,30 Dollar, 20 Cent mehr als am Vortag. „Es gibt keinen Zweifel: Steigende Energiepreise beeinflussen die Inflation negativ“, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel. „Wir beobachten das sehr genau.“

Eine Ölkrise droht nach Einschätzung des Rohstoffexperten Klaus-Jürgen Gern vorerst nicht. „Das Ganze ist im Moment noch nicht so dramatisch“, sagte der Experte am Kieler Institut für Weltwirtschaft der Nachrichtenagentur dpa. Dennoch macht ihm die Sicherheit der Transportwege Sorgen: „Sollten Ölpipelines etwa zerstört werden, könnte es gefährlich werden.“

Kritisch dürfte es aber werden, wenn die Unruhen auf andere wichtige Produzentenländer, insbesondere auf Saudi-Arabien, übergriffen und dort die Produktion beeinträchtigten. „Wenn die Situation dort außer Kontrolle gerät, weiß keiner, wo der Ölpreis letztlich landet. Dann würden wir sicher eine neue Ölkrise bekommen.“ Im Moment sei jedoch das größte Problem die Angst, was noch alles passieren könnte.

Öl-Händler befürchteten, nicht nur Produktionsausfälle in Libyen, sondern auch ein Übergreifen der Unruhen aus dem ölreichen nordafrikanischen Land auf andere Öl-Förderstaaten. Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz warnte vor möglichen negativen Auswirkungen der steigenden Ölpreise auf die Konjunktur. „Ein steigender Rohölpreis bedeutet einen Kaufkraftentzug und Gewinnreduktionen“, sagte der Chef des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Handelsblatt Online.

Nach Angaben von Händlern liegt die aktuelle Ausfallquote in dem nordafrikanischen Land bei 400 000 Barrel pro Tag, was einem Viertel der libyschen Ölproduktion entspreche. Im schlimmsten Fall könne der Produktionsausfall auf bis zu eine Million Barrel am Tag steigen. Auch der Preis für Rohöl der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) stieg den dritten Tag in Folge deutlich. Die Sorgen der Händler schließen auch Saudi-Arabien ein, den wichtigsten Ölproduzenten im Nahen Osten. Wegen der für den 11. März im Königreich Saudi-Arabien angekündigten Proteste dürften die Ölpreise zunächst noch weiter anziehen, schrieb die Commerzbank in einer Studie.

Eine Feinunze (31,1 Gramm) Gold kostete in der Spitze 1 415,47 Dollar. Das waren 3,95 Dollar mehr als am Vortag. Der Silberpreis kletterte in der Spitze auf 33,74 Dollar. Damit kostet Gold soviel wie zuletzt Anfang des Jahres und Silber soviel wie zuletzt 1980. In Zeiten der Unsicherheit griffen Anleger wieder vermehrt zu Edelmetallen, hieß es in Händlerkreisen.

Die deutschen Getreidehändler rechneten mit Beeinträchtigungen des Weizenhandels, teilte die Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI) in Bonn mit. Das nordafrikanische Land sei im vergangenen halben Jahr der drittwichtigste Weizenkunde Deutschlands gewesen, sagte Martin Schraa, Bereichsleiter Pflanzenbau. Bei Gerste belege Libyen auf der deutschen Ausfuhrliste den sechsten Platz. „Im Moment ist faktisch kein Handel möglich“, sagte Schraa mit Blick auf die Unruhen im Land. „Da können Sie kein Schiff hinschicken.“

Der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, Anton Börner, sprach sich gegen Sanktionen gegen Libyen aus. Die Nachrichtenlage sei derzeit noch viel zu unübersichtlich. „Mit blindem, unüberlegtem Aktionismus ist jedenfalls niemanden gedient, auch nicht den Demonstrierenden“, sagte Börner Handelsblatt Online. „Es besteht die Gefahr, dass man gerade diejenigen schwächt, die man stärken möchte.“ Für die Unternehmen stehe jetzt die Fürsorge und der Schutz der Mitarbeiter vor Ort im Mittelpunkt.

Weitere Unternehmen zogen ihre Mitarbeiter aus dem Land ab. So hat der Bau- und Dienstleistungskonzern Bilfinger Berger nach Angaben vom Donnerstag die meisten seiner Mitarbeiter und deren Angehörige nach Deutschland zurückgeholt. Auch die Öl- und Gastochter des Ludwigshafener Chemiekonzerns BASF, Wintershall, erklärte, ein Großteil der internationalen Mitarbeiter und Angehörigen sei jetzt außer Landes.

Dagegen fördert der größte spanische Mineralölkonzern Repsol YPF weiterhin in Libyen Erdöl. Die Produktion sei allerdings auf weniger als die Hälfte der normalen Menge gesunken, teilte der Repsol-Präsident Antonio Brufau mit. Derzeit fördere Repsol in dem Land etwa 160 000 Barrel Öl pro Tag, 200 000 Barrel weniger als sonst.