Skepsis in Deutschland Offene Kritik an Putin nach Wiederwahl
Berlin (dpa) - Deutschland und Europa haben mit Kritik auf die Wiederwahl des russischen Präsidenten Wladimir Putin reagiert und zugleich die Notwendigkeit weiterer Gespräche bekräftigt.
In einem Glückwunschschreiben sprach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von Misstrauen und Entfremdung zwischen Deutschland und Russland. Internationale Beobachter der OSZE kritisierten einen Mangel an Wettbewerb bei der Wahl.
Steinmeier schrieb: „Ich hoffe und wünsche, dass es gelingen wird, der Entfremdung auf unserem Kontinent und zwischen den Menschen in Russland und Deutschland entgegenzuwirken, und dass Sie Ihre neue Amtszeit hierfür nutzen. Den Dialog hierzu sollten wir in vertrauensvollem Rahmen fortsetzen.“ Die Zusammenarbeit habe stets als wichtige Stütze für die Bemühungen um eine dauerhafte Friedensordnung in Europa gegolten. „Von diesem Ziel sind wir heute beunruhigend weit entfernt. Misstrauen, Aufrüstung und ein Klima der Unsicherheit tragen zur Instabilität bei“, schrieb Steinmeier weiter.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: „Wir haben Meinungsverschiedenheiten mit Russland, wir kritisieren Russlands Politik an manchen Punkten ja auch sehr klar und deutlich: Ukraine, Syrien.“ Gleichwohl sei es wichtig, dass der Gesprächsfaden nicht abreiße.
Zu einer möglichen Wiederbelebung der Spitzengespräche über die Ukrainekrise mit Russland, der Ukraine und Frankreich sagte Seibert: „Es ist derzeit kein konkreter Termin für ein nächstes Treffen der Präsidenten, der Regierungschefs vereinbart.“ Auf Arbeitsebene gebe es aber fortlaufende Kontakte. Der letzte Gipfel im sogenannten Normandie-Format fand im Oktober 2016 in Berlin statt.
Nach Einschätzung von Außenminister Heiko Maas (SPD) entsprach die Wahl in Russland nicht europäischen Standards. „Von einem fairen politischen Wettbewerb, wie wir ihn kennen, kann sicherlich nicht in allen Punkten die Rede sein“, sagte er in Brüssel. Dass die Wahl auch auf dem völkerrechtswidrig annektierten Gebiet der Krim stattgefunden habe, sei ebenfalls nicht akzeptabel. Zugleich sprach sich Maas dafür aus, mit Putin im Gespräch zu bleiben. „Russland wird ein schwieriger Partner bleiben“, sagte er. „Aber Russland wird auch gebraucht, wenn es um die Lösung der großen internationalen Konflikte geht.“
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte dem Internetportal „bild.de“ über Putin: „Er ist schon lange kein Partner mehr.“ Auf die Frage, ob er ein „Gegner“ sei, antwortete sie: „Ich würde so weit nicht gehen, denn das knallt auch Türen zu.“ Von der Leyen verwahrte sich aber dagegen, wie der CSU-Europapolitiker Manfred Weber von einem „modernen Krieg“ Putins gegen den Westen zu sprechen. „Das hätte absolute Konsequenzen, wenn wir das als Bundesregierung sagen würden“, warnte die Ministerin.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff sagte: „Die russische Wahl war weniger eine Wahl als ein Referendum über Wladimir Putin.“ Alle denkbaren Konkurrenten seien ausgeschaltet oder kleingemacht worden. Putin selbst lenke seit Jahren von den inneren Problemen Russlands ab, indem er sein Land als Opfer des Westens, sich selbst als Retter stilisiere.
Für die OSZE sagte Michael Georg Link, der Leiter der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa: „Eine Auswahl ohne echten Wettbewerb ist leider keine echte Auswahl.“ In Moskau betonte er: „Wenn die gesetzlichen Umstände viele grundlegende Freiheiten einschränken und das Ergebnis nicht angezweifelt wird, verlieren Wahlen ihren Zweck“.
Auch die schwedische Außenministerin Margot Wallström kritisierte die Abstimmung in Russland als undemokratisch. „Der Wahlkampf war zum Vorteil von Präsident Putin manipuliert“, sagte die Sozialdemokratin laut schwedischem Rundfunk SVT. Die Medien seien staatlich kontrolliert und Oppositionelle an einer Kandidatur gehindert worden.
Der iranische Präsident Hassan Ruhani reagierte mit Freude auf den Wahlsieg Putins, der mit rund 77 Prozent der Stimmen mit dem bisher besten Ergebnis in die vierte Amtszeit startet. Ruhani betonte: „Ich bin sicher, dass sich damit die Beziehungen zwischen Moskau und Teheran zum Vorteil beider Länder noch mehr ausweiten werden.“ Der Iran und Russland arbeiten im Syrien-Konflikt strategisch zusammen, beide wollen Präsident Baschar al-Assad an der Macht halten.