Porträt: Oberst Gaddafi - Skurril und starrsinnig

Tripolis/Istanbul (dpa) - Für seine Anhänger ist Muammar al-Gaddafi (69) ein Held. Sie lieben sein herrisches Auftreten und seine respektlose Art im Umgang mit den Großen dieser Welt.

Für die Mehrzahl der Libyer aber wurde er durch seine Brutalität und seinen wachsenden Größenwahn in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr zu einer Hassfigur. Gebildete Libyer, die stolz auf ihre Kultur sind und viel im Ausland unterwegs sind, leiden sehr darunter, dass ihren Gesprächspartnern zum Thema Libyen oft nur „Gaddafi“ einfällt.

So unterhaltsam seine Zelt-Aufenthalte in europäischen Parks auch gewesen sein mögen. Für die Bevölkerung Libyens waren seine Eskapaden schon seit Jahren bitterer Ernst. Denn Kritik am „Bruder Führer“ wurde stets mit Haft und Folter geahndet.

Auch nach Beginn des Aufstandes im Osten Libyens Mitte Februar gab Gaddafi noch markige Parolen aus: „Wir können jeden Angriff abwehren und das Volk bewaffnen, wenn nötig“, sagte er bei einem vom Fernsehen übertragenen öffentlichen Auftritt auf dem Grünen Platz in Tripolis. „Wir werden jeden ausländischen Versuch erfolgreich bekämpfen, wie wir ihnen schon früher Niederlagen beigebracht haben“.

Mit dem Auftritt von nur wenigen Minuten wollte Gaddafi schon vor knapp sechs Monaten zeigen, dass er die Kontrolle in der Hauptstadt nicht verloren hat. Doch später gab es nur noch Audio-Botschaften von Oberst Gaddafi, was seine Anhänger über seinen Aufenthaltsort rätseln ließ. Gaddafi beschimpfte die Rebellen in Bengasi als „Ratten“ und „Agenten der Nato“.

Gaddafi ist launisch und hält sich selbst für unfehlbar. Am liebsten hätte er nach der Machtergreifung 1969 gleich die gesamte arabische Welt mit seiner hausgemachten Volksbefreiungsideologie beglückt. Doch die Araber zeigten ihm die kalte Schulter.

Der libysche Staatschef gilt als neurotisch und aufbrausend. Er misstraut fast jedem und verlässt sich am liebsten auf die eigene Familie. Gaddafi hat sein Land in einem wilden Zickzackkurs erst von der Monarchie in eine Art Volksrepublik geführt. Dann sorgte er dafür, dass Libyen international als einer der Hauptsponsoren des Terrorismus gebrandmarkt und mit Sanktionen belegt wurde.

Im Jahr 2003 verkündete er dann plötzlich, Terror und Aufrüstung seien sinnlos. Deshalb werde er nun die Unterstützung von Extremistengruppen beenden und alle Programme zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen einstellen.

Belohnt wurde Gaddafi für diese Kehrtwende mit verbesserten Beziehungen zu mehreren westlichen Staaten. Besonders eng wurde der Kontakt zu Italien, wohl auch, weil sich Gaddafi und der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi auf der menschlichen Ebene bis zuletzt gut verstanden.

Nur eine Konstante gab es in Libyen, nachdem Gaddafi und seine Getreuen im Jahr 1969 König Idris al-Sanussi gestürzt hatten: Der „Bruder Revolutionsführer“, wie Gaddafi im offiziellen Diskurs genannt wird, hat immer Recht. Obwohl er kein öffentliches Amt bekleidet, ging ohne seinen Segen in Libyen in den vergangenen vier Jahrzehnten fast nichts. Viele Weggefährten aus den Revolutionsjahren stieß er später vor den Kopf. Zuletzt hörte er nach Angaben ehemaliger Vertrauter vor allem auf seine Kinder.

Gaddafi, der 1942 als Sohn eines nomadisierenden Bauern in der Nähe der Stadt Sirte geboren wurde, liebt den Kult um seine Person. Er ließ überall im Land seine Fotos in Überlebensgröße aufhängen. Diese auf Werbetafeln platzierten Bilder, die ihn wahlweise mit cooler Sonnenbrille oder in bunten Fantasiegewändern zeigten, bildeten nun eine hervorragende Zielscheibe für die Wut der Aufständischen. Sie rissen überall im Land seine Fotos nieder, steckten die Plakate in Brand und warfen mit Steinen darauf.