Psychologe: Heilung Schalits kann Jahre dauern

Berlin (dpa) - Der Weg des freigelassenen israelischen Soldaten Gilad Schalit zurück in die Normalität kann nach Ansicht des Kriminalpsychologen Rudolf Egg sehr lange dauern. „Eine jahrelange Geiselhaft wird immer Spuren hinterlassen“, sagte Egg im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

„Es ist schwer zu sagen, in welchem Zeitraum er wieder eine andere, eine neue Normalität gewinnen wird. Das kann Monate, das kann unter Umständen auch Jahre dauern.“

Schalit und auch seine Familie hätten durch die Trennung „sehr schwere traumatisierende Erfahrungen gemacht“. Die müssten sie nun zusammen aufarbeiten. Schalit brauche Ruhe für sich selber und Kontakt zu denen, die ihm am nächsten stehen, „um zu sagen, was habt ihr erlebt und was habe ich erlebt“, sagte Egg. Deswegen sei es auch richtig, ihn von dem Medienrummel fernzuhalten.

Der Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden glaubt nicht, dass es zwischen dem 24 Jahre alten Israeli und seinen Geiselnehmern von der radikalislamischen Hamas zu einer Verbrüderung kam, wie es das sogenannte Stockholm-Syndrom beschreibt. Denn Schalit sei von einer fremden Armee entführt worden und nicht von einzelnen Kidnappern.

Als größte Belastung während der Gefangenschaft sieht Egg die Unsicherheit für den jungen Soldaten. Wenn nicht klar sei, ob man überhaupt jemals befreit werde, könne diese Ungewissheit einen Menschen ratlos und verzweifelt werden lassen. Helfen könne es da, eine Art Alltag und Routine in sein Leben in Gefangenschaft zu bringen: Auch das Schreiben könne helfen, „aus dieser verzweifelten und perspektivlosen Lage gedanklich herauszutreten“.