Putin besucht Berlin Putins Rückkehr wird für Merkel zur Gratwanderung

Berlin (dpa) - Der russische Präsident Wladimir Putin hat an seine bisher letzte Reise nach Berlin keine guten Erinnerungen. Nur sechs Stunden hielt er sich im Juni 2012 in der Hauptstadt auf, kürzer als jeder Deutschland-Besuch des Präsidenten zuvor.

Schon damals war das Verhältnis belastet.

Putin war gerade in den Kreml zurückgekehrt und hatte westliche Reformhoffnungen unter seinem Vorgänger Dmitri Medwedew zunichte gemacht. Die Gespräche mit Merkel und Gauck waren kühl, schon damals schwelte der Syrien-Krieg.

An diesem Mittwochnachmittag wird Putin erstmals seit vier Jahren wieder vor dem Kanzleramt vorfahren. So viel Zeit lag noch nie zwischen zwei seiner Besuche. Und das Verhältnis seines Landes zum Westen ist so schlecht wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. So mancher spricht von einem neuen Kalten Krieg in Europa.

Nur wenige Meter von der Stelle entfernt, wo einst der „Eiserne Vorhang“ Europa in Ost und West teilte, kommen nun Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande mit Putin zusammen, um auszuloten, was man überhaupt noch gemeinsam zustande bringen kann.

Mit dabei ist der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, weil es in erster Linie um den Friedensprozess in der Ost-Ukraine gehen soll. Merkel und Hollande wollen mit Putin aber auch über Syrien sprechen. Angesichts der Gewalteskalation in Aleppo ist dies das akutere Problem. Die Bombardements von Krankenhäusern und Hilfskonvois schockieren die Welt. Russland und seinem engen Verbündeten Baschar al-Assad werden vom Westen Kriegsverbrechen vorgeworfen.

Kann man in einer solchen Situation Putin überhaupt in Berlin empfangen? Merkel meint: Ja. „Sprechen ist immer wieder notwendig, auch wenn die Meinungen sehr stark auseinander gehen“, sagt sie. Dennoch kann der Besuch Putins für sie zur schwierigen Gratwanderung werden. Wenn nichts herauskommt, könnte am Ende einzig Putin davon profitieren.

Für den Kreml ist die Reise des Präsidenten nach Berlin eine Genugtuung. Immer wieder sieht sich Russland wegen der Kriege in der Ukraine und in Syrien an den Pranger gestellt. Westliche Politiker kritisieren Moskau nicht nur als „Kriegsverbrecher“ in Syrien, sondern werfen dem Kreml Cyberattacken vor und fordern neue Sanktionen. Und nun kommt eine Einladung aus Berlin.

Von Isolation keine Spur - so sieht es Moskau. „Russland fühlt sich verletzt, wenn der Westen die Gespräche immer nur auf die Konflikte in Syrien und in der Ukraine verengt“, sagt der Politologe Wladislaw Below der Deutschen Presse-Agentur. Zwar seien die Krisen in den beiden Ländern wichtige Themen. „Aber Moskau fühlt sich unabhängig davon. Der Kreml versteht sich nicht als Konfliktpartei, sondern als Konfliktlösungspartei“, betont der Deutschland-Experte von der Akademie der Wissenschaften in Moskau.

Der Politologe Jewgeni Mintschenko rechnet nicht mit einem Durchbruch in Berlin. „Vermutlich will der Kreml mit der Teilnahme zeigen, dass er verhandlungsbereit ist, und der Westen wird Russland wieder Vorwürfe machen“, sagt der Moskauer Experte. Sein Kollege Viktor Mironenko sieht es bereits als Erfolg, dass die Verhandlungen überhaupt stattfinden. „Merkel hält den Gesprächskanal zu Russland offen, während es mit den USA und Frankreich keinen wirklichen Dialog mehr gibt“, meint der russische Politologe.

Das ist die große Chance des Treffens für Merkel. In der Ukraine-Krise hat Deutschland auf der Seite des Westens schon lange die Federführung in den Verhandlungen mit Russland. Jetzt soll der Ukraine-Gipfel genutzt werden, um den Gesprächsfaden auch in Sachen Syrien aufrechtzuerhalten. Und das in einer Situation, in der zwischen Washington und Moskau nicht mehr viel geht. Trotzdem dämpft Merkel vorsorglich die Erwartungen an die Beratungen in Berlin: „Sicherlich darf man von dem Treffen morgen keine Wunder erwarten.“