#MS80 Report: Anschlag bei abgestürzten Flug MS804 befürchtet
Kairo (dpa) - Eine hellblaue Linie auf einer Karte, leicht geschwungen, mit Start in Paris, endet um 2.30 Uhr in der früh im Nichts über dem östlichen Mittelmeer.
Der letzte Ort, an dem die Flugroutenseite Flightradar24 die Verbindung MS804 von Egyptair anzeigt. Was danach passierte, bleibt zunächst ein Rätsel.
Dann wird klar, die Maschine mit 66 Menschen an Bord ist abgestürzt. Knapp 16 Stunden später teilt die ägyptische Fluggesellschaft mit, dass Wrackteile und Schwimmwesten an der Wasseroberfläche geortet worden seien. Griechenland, das bei der Suche nach dem vermissten Airbus A320 geholfen hat, dementiert dies umgehend. Später zieht auch Egyptair die eigenen Angaben zurück. Die Suche gehe weiter, heißt es.
Ein Unglück aufgrund technischen Versagens kann nicht ausgeschlossen werden, ein Terroranschlag aber ist wahrscheinlicher. Auf jeden Fall ist es die bisher schwerste Flugkatastrophe des Jahres.
„Die Situation kann darauf hindeuten, dass die Wahrscheinlichkeit auf ein Machwerk von Terroristen wesentlich höher ist, als dass ein technischer Fehler an dem Flugzeug auftrat“, drückte Ägyptens Luftfahrtminister Scherif Fathi etwas umständlich aus, was viele befürchten: einen weiteren Anschlag auf die westliche Welt.
Und erneut triff es Ägypten. In der Hauptstadt Kairo sollte der Airbus A320 eigentlich landen. Erst vor rund einem halben Jahr war ein russischer Ferienflieger mit 224 Menschen an Bord nach dem Start im Badeort Scharm el Scheich über der ägyptischen Sinai-Halbinsel abgestürzt. Die russischen Behörden gingen von einem Anschlag aus, zu dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannte. Ende März entführte ein Mann mit Sprengstoffattrappe eine Maschine der Fluggesellschaft Egyptair nach Zypern. Und nun das.
Auch wenn die genauen Hintergründe am Donnerstag zunächst unklar blieben und die Maschine dieses Mal nicht in Ägypten, sondern in Paris startete: Die Folgen für das Image des Landes dürften erneut schwerwiegend sein. Das Land am Nil war gerade dabei, seine in die Kritik geratene Flugsicherheit zu verbessern. Und damit den wichtigen Tourismus wiederzubeleben.
Die kriselnde Wirtschaft des Landes ist maßgeblich von Urlaubern abhängig. Der Tourismus macht mindestens elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Fast 2,9 Millionen Arbeitsplätze sind nach jüngsten Angaben direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig - und damit etwa jeder neunte Beschäftigte.
Die Zahl der Gäste war bereits 2013 deutlich zurückgegangen: Es kamen 9,2 Millionen Menschen. 2010 - vor den Umbrüchen durch die arabischen Aufstände und politischer Instabilität - waren es noch mehr als 14 Millionen gewesen. Nach dem Bombenanschlag auf das Flugzeug über dem Sinai im Herbst 2015 brachen die Buchungen dann dramatisch ein. Der Gouverneur des Südsinai sprach Anfang des Jahres von monatlich 230 Millionen Euro, die dem Land durch ausbleibende Buchungen verloren gingen.
Zuletzt jedoch äußerten sich Hotel- und Restaurantbesitzer wieder positiver. „Wir haben das Licht am Ende Tunnels gesehen“, sagt Peter-Jürgen Ely, der ehemalige deutsche Honorarkonsul in der deutschen Urlauberhochburg Hurgada am Roten Meer.
Denn die unter massivem Druck stehenden Ägypter handelten und investierten in die Flugsicherheit. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte diese noch vor wenigen Wochen als „stark verbessert“ bezeichnet. Russland sendete zuletzt Signale, dass es die momentan bestehenden Verbote für Direktverbindungen in die beliebten Urlaubsorte des Landes aufheben werde. Ob das Schicksal des Fluges MS804 diese positive Tendenz wieder zunichte machen wird, ist zunächst nicht abzusehen. Doch das Image des Landes wird auf jeden Fall darunter leiden.
Genauso wenig ist klar, ob der Terror gegen die westliche Welt nach diversen großen Anschlägen der vergangenen Monate in eine neue, tödliche Runde geht. Zweitrangig ist das vor allem für die Angehörigen der mehrheitlich ägyptischen und französischen Insassen des Flugzeugs. Einige von ihnen harrten Donnerstag verzweifelt am Kairoer Flughafen aus, auch wenn die Maschine aus Paris dort niemals ankommen sollte.