Report: „Freiheit! Revolution!“ - Ägypten feiert

Kairo (dpa) - Hunderttausende sind gekommen, vielleicht auch eine Million, sie sind nicht zu zählen. Glückliche, lachende Menschen mit leuchtenden Augen. Sie schwingen ägyptische Fahnen, trommeln, singen, rufen sich Glückwünsche zu.

Immer wieder skandieren sie: „Masri hurrija! Masri thaura!“ - Ägyptische Freiheit! Ägyptische Revolution! Ganz Kairo ist an diesem Freitagabend auf den Beinen. Das Herz der Hauptstadt ist der Tahrir-Platz, das Epizentrum des ägyptischen Aufstands.

Am Zugang tasten die zivilen Ordner der Demokratiebewegung immer noch nach Waffen ab. Auch im Freudentaumel darf nichts dem bösen Zufall überlassen bleiben, wenngleich die Kontrolle schnell in eine solidarische Umarmung mündet. „Mavruk!“ Glückwunsch! Ein paar Meter weiter tragen sie einen Fallschirmjäger-Leutnant auf den Schultern herum. „Die Armee ist mit dem Volk!“ rufen sie. Wie vor 21 Jahren die Menschen in Rumänien, als sie ihren Diktator Nicolae Ceaucescu stürzten. „Die Armee ist mit uns!“, hatten sie damals gerufen.

Wenige Stunden nach dem Rücktritt von Präsident Husni Mubarak herrscht eine euphorische Karnevalsstimmung. Feuerwerksraketen schießen in den Nachthimmel. Ein Feuerspeier auf einem hohen Podest begeistert mit seiner Kunst. Hassan, ein Innenausstatter, und Eiman, ein Tischler, sind aus ihrem 250 Kilometer entfernten Dorf Fawa an der Mittelmeerküste angereist. Sie kamen vor zwei Tagen an, um für den Rücktritt von Mubarak zu demonstrieren. Aus Plastikplanen, wie sie in der Landwirtschaft verwendet werden, haben sie sich einfache Zelte gemacht.

„Aufs Essen kann man zur Not verzichten, aber nicht auf die Freiheit“, meint Hassan. „Ich bin überglücklich, dass das Volk dem Despoten seinen Willen aufgezwungen hat.“ Eiman pflichtet ihm bei: „Wir hatten unter diesem Regime keine Würde mehr. Ägypten wird bald ein normales Land werden, auf Augenhöhe mit Amerika oder Deutschland.“

Der Tahrir-Platz war von Anfang an der Mittelpunkt der Protestbewegung gegen das Regime. Er widerstand den brutalen Angriffen der Sonderpolizei und der Schlägertrupps der Regierungspartei NDP. Zugleich war er das Labor des neuen Ägypten. Religiöse und Laizisten, Männer und Frauen - mit und ohne Kopftuch, Muslime und Christen lebten und litten, kämpften und bangten hier 18 Tage lang völlig gleichberechtigt in Gemeinsamkeit. Und vor allem: Sie diskutierten, stritten und redeten miteinander, frei und offen.

Hier wurde ein Schatz an sozialen Erfahrungen angesammelt, der einzigartig ist. Diese Bewegung mit ihrer ungewöhnlichen politischen Intelligenz ist das Faustpfand der neuen Demokratie in Ägypten. Das Militär, das die Macht übernommen hat, weil kein anderer da war, um sie zu übernehmen, wird an ihr nicht vorbeikommen.

Oder wie es der Dauer-Camper Tarik Schalabi an diesem Freitagabend formuliert: „Wenn das Militär ganz klar und deutlich erklärt, dass es den Übergang zur Demokratie, die Aufhebung des Ausnahmezustands und Neuwahlen fürs Parlament unterstützt, gehen wir heim. Wenn es aber nur vage behauptet, dass es unsere Forderungen erfüllt, dann bleibe ich hier.“