Report: Rom im Schock - Explosionen in Botschaften
Rom (dpa) - Die Tage vor Weihnachten bringen Italiens Hauptstadt eine böse Bescherung nach der anderen. Erst findet ein Lokführer in Roms Metro ein verdächtiges Päckchen, das eine Bombe hätte sein können.
Zwei Tage später kommt tatsächlich Sprengstoff zur Explosion - ein 53-jähriger Angestellter der Schweizer Botschaft im feinen nördlichen Viertel Parioli erleidet schwere Verletzungen an den Händen, als er ein Päckchen öffnet. Dann eine Bombe in Chiles Vertretung - ebenfalls in einem gelben Umschlag und so groß wie eine Videokassette. Harmlos war verdächtige Post in der ukrainischen Botschaft.
Die Vorfreude auf den herannahenden Heiligen Abend war zunächst in der eidgenössischen Botschaft in der Via Barnaba Oriani in Entsetzen umgeschlagen. Der verletzte Mann musste von einem Notarztwagen in die chirurgische Abteilung des Hospitals Umberto I. gebracht werden - es bestand die Gefahr, dass er seine linke Hand für immer verloren hat.
Die Ewige Stadt lässt sich normalerweise nicht leicht aus der Ruhe bringen. Als Breaking News vom ersten Sprengstoffattentat die Runde machten, saßen etliche Medienleute bei Silvio Berlusconi - der umstrittene Regierungschef und Milliardär hatte sie zu seiner Jahresendpressekonferenz geladen, um Altbekanntes zu wiederholen: Es werde Neuwahlen geben, wenn seine Mehrheit im Parlament nicht halte.
Auch auf der Shoppingmeile Via del Corso im Herzen der Ewigen Stadt tummelten sich nichts ahnend Römer wie Touristen. Dabei hatte Innenminister Roberto Maroni bereits vor Monaten vor einer „Rückkehr terroristischer Gewalt gewarnt“: Zwar gebe es keine konkrete Bedrohung, höchste Wachsamkeit gelte indessen weiterhin für alles, was Ziel islamistischer Attentäter sein könnte. Und da meinte er nicht nur Flughäfen und Bahnhöfe, sondern auch die Botschaften. Davon hat Rom immerhin fast doppelt so viele wie andere Hauptstädte, denn es beherbergt zwei Staaten: Italien und den Vatikan.
Betont unaufgeregt zunächst auch eine „nicht offizielle“ Stimme aus der Deutschen Botschaft in Rom, die einige Kilometer vom ersten Tatort entfernt liegt. Es galten für den diplomatischen Sitz Berlins die gewöhnlichen Sicherheitsmaßnahmen. Offiziell gebe es nichts zu sagen. Doch dann meldet Berlin, die Sicherheit in der Botschaft werde nun nochmals erhöht. Und in Rom wurden zudem sämtliche Botschaften fieberhaft überprüft. Bürgermeister Gianni sprach von einer „Welle des Terrors“.
Und dann das, was schon wie eine Entwarnung für all jene klingen konnte, die nach dem mittäglichen Schreck gleich eine ganze Serie von islamistischen Anschlägen zu Weihnachten vor Augen hatten: Als heiße Spur vermuten die römischen Terrorermittler italienische Anarchisten hinter den Anschlägen. Und mit Anarchos haben sie in der Vergangenheit viele Erfahrungen gesammelt.
Auch beim Fund vom Dienstag in der Metro war vielen sofort die Anarcho-Szene in den Sinn gekommen. Der unfertige Sprengsatz wurde noch lediglich als eine Art „demonstrativer Akt“ eingeschätzt. Keine 48 Stunden später hat sich mit den Paketbomben-Anschlägen die Lage in Rom dramatisch geändert.