Report: USA ratlos - Was tun gegen Assange?
Washington (dpa) - Die erste Garde der US-Politiker taucht erst einmal weg. Ob Barack Obama oder Außenministerin Hillary Clinton: Zur Festnahme von Julian Assange schweigen sie sich aus.
Lediglich Verteidigungsminister Robert Gates lässt sich zu ein paar Worten hinreißen - eine „gute Nachricht“ sei die Entwicklung in London. Doch hinter den Kulissen machen die Anwälte im Washingtoner Justizministerium längst Überstunden. Gesucht wird eine rechtliche Handhabe, um den Wikileaks-Gründer vor ein amerikanisches Gericht zu kriegen - ob das rasch gelingt, ist mehr als fraglich.
Zwar haben Clinton und andere immer wieder verkündet, die Enthüllungen gefährdeten Menschenleben und seien schädlich für die Sicherheit der USA. Doch das Problem lieg im Kleingedruckten: Fachleute fürchten, eine Anklage auf Grundlage des Anti-Spionage- Gesetzes könnte sich zumindest als überaus kompliziert und langwierig erweisen, falls sie überhaupt möglich ist.
Eine Krux: Assange und seine Mitstreiter haben die Dokumente nach bisherigem Erkenntnisstand wohl kaum selbst aus dem US-Datenmaterial entwendet. Da ist bisher eher der Ex-Obergefreite Bradley Manning in Verdacht geraten. Der 23-jährige Geheimdienst-Analyst, der angeblich während seiner Dienstzeit im Irak Zugang zu abertausenden Geheimdokumenten hatte, sitzt im US-Bundesstaat Virginia in Haft. Allerdings wird ihm offiziell lediglich vorgehalten, er habe Videos über einen brutalen Hubschraubereinsatz weitergegeben.
Angesichts der Schwierigkeiten lässt Justizminister Eric Holder durchblicken, man solle sich nicht nur auf den Spionage-Vorwurf konzentrieren. Doch Holder äußert sich nur kryptisch. Spionage „spielt zwar sicher eine Rolle, aber wir haben auch andere Werkzeuge zur Verfügung.“ Ansonsten zieht aber auch Holder vor zu schweigen.
Wie vertrackt die Lage ist, macht die „New York Times“ klar: Noch niemals zuvor sei jemand wegen Spionage verurteilt worden, der Geheimdokumente lediglich erhalten und weitergegeben habe. Und: das Justizministerium habe nie zuvor einen Journalisten wegen Spionage angeklagt.
Was ein Schlaglicht auf ein weiteres Problem wirft: den „First Amendment“, den ersten US-Verfassungszusatz, der das heilige Recht auf freie Meinungsäußerung betont. In kaum einem anderen Land der Erde hat die Pressefreiheit derartiges Gewicht wie in den USA. Immerhin hat sich die alterwürdige „New York Times“ an der Veröffentlichung beteiligt - eine Institution in den USA.
Bezeichnenderweise ist auch der ansonsten so streitbare Senator Joseph Liebermann sehr vorsichtig mit juristischen Vorwürfen gegen das Blatt. Stattdessen hält er der Zeitung einen „Akt schlechter Staatsbürgerschaft“ vor. Das klingt ziemlich mau.
Besonders schwierig dürfte sein, Assange in die USA zu bekommen, wenn er erst einmal in Schweden ist, fürchten Experten. Schweden habe eine große Tradition, politisches Asyl zu gewähren, meinte die „Washington Post“. Außerdem sehe ein schwedisch-amerikanisches Auslieferungsabkommen keine Verbrechen mit politischen und militärischen Hintergrund vor. Das dürfte die amerikanischen Bemühungen zusätzlich erschweren. Es heißt, eine Anklage gegen Assange oder ein Auslieferungsgesuch aus Washington sei in unmittelbarer Zukunft nicht in Sicht.