Report: Verzweifelter Kampf gegen die Flut
Passau/Grimma (dpa) - Erst regnete es wochenlang, dann kam die Flut - und zwar so schnell und heftig, wie es kaum jemand erwartet hatte. So wurde im hochwassererfahrenen Passau die schlimmste Überschwemmung seit dem Jahr 1501 gemessen.
Szenen aus den betroffenen Orten:
PASSAU: Seit einem halben Jahrtausend stand das Wasser von Donau und Inn nicht mehr so hoch in der niederbayerischen Stadt. Schaufenster bersten, Geschäfte und Gaststätten laufen voll. Schon zuvor hat die Feuerwehr viele Keller mit sauberem Wasser geflutet, damit der Schlamm der Donau nicht zu sehr eindringen kann. Doch die Menschen kämpfen nicht nur mit der braunen Flut, in Teilen der Altstadt muss auch der Strom abgedreht werden. In einem Kinderhort, der normalerweise 100 Meter vom Fluss entfernt ist, bringen Helfer die Möbel in Sicherheit. „Eine solche Situation hatten wir noch nie, auch nicht beim Jahrhunderthochwasser 2002. Und es ist kein Ende in Sicht“, klagt Hortleiterin Sabine Sterl.
KOLBERMOOR: Tosend schiebt die Mangfall ihre bräunlichen Wassermassen durch das kleine oberbayerische Örtchen. Mit Sandsäcken versuchen die Anwohner, sich zu schützen - noch halten die Dämme, aber das Grundwasser steigt. „Wir saufen langsam ab“, sagt Matthis Breeede. In seiner Tiefgarage steht das Wasser kniehoch. Vor den Häusern rattern Generatoren, mit denen Wasserpumpen betrieben werden. Fast alle Keller stehen hier unter Wasser. Bürgermeister Peter Kloo macht den Menschen Mut: „Alle haben mit angepackt und diesen super Deich gebaut!“ Er hofft, dass der Damm hält.
GRIMMA: Die sächsische Stadt an der Mulde wird zum zweiten Mal innerhalb von elf Jahren Opfer der Fluten. Eine Rentnerin starrt fassungslos auf die Brühe, die durch die schmucke historische Innenstadt schwappt. „Da kommen Erinnerungen an 2002 hoch. Das haben wir alles schon gesehen und alles schon erlebt“, sagt sie. Rund 2500 Menschen mussten in Grimma in Sicherheit gebracht werden. „Zwei Jahrtausendhochwasser in elf Jahren - das ist einfach zu viel“, sagt Bürgermeister Matthias Berger. „Die ganzen privaten und öffentlichen Investitionen der vergangenen Jahre sind dahin.“ Eine halbe Milliarde Euro sei in den Wiederaufbau gesteckt worden. Berger: „Wir sind gar nicht in der Lage, alle zehn Jahre unsere Stadt neu aufzubauen.“
BAD SCHANDAU: Auf dem Marktplatz von Bad Schandau versuchen Anwohner und Geschäftsleute, ihre Gebäude hochwasserfest zu machen. Sie stellen Aluminium-Spundwände auf. Prognosen zufolge wird die Elbe die sächsische Stadt an der deutsch-tschechischen Grenze überfluten, drei Meter hoch soll das Wasser dann auf dem Marktplatz stehen. Das ist fast so hoch wie bei der Flut 2002. Die Stimmung sei zwischen Wut, Resignation und Sorge, sagt Bürgermeister Andreas Eggert.
EILENBURG: In einer Grundschule der Stadt in Sachsen haben 170 Menschen die Nacht verbracht, zur Hälfte Bewohner eines Pflegeheims. Eine junge Frau fragt am Montag mit tränenerstickter Stimme, ob sie für sich und ihre zwei Kinder eine Notunterkunft haben könnte. Sie hat auch zwei Hunde dabei - die dürfen nicht mit. Eine Helferin sagt, sie sei nachts kurz zu Hause gewesen: „Aber ich konnte eh nicht schlafen. Das Herz bubbert zu doll.“ Eilenburg droht trotz eines aufwendigen Flutschutzes eine Überschwemmung. Bürgermeister Hubertus Wacker sagt: „Ich habe mir immer eingeredet, Eilenburg sei die erste hochwassersichere Stadt, aber ich muss am Ende einsehen: Die Natur ist nicht berechenbar.“
GÖSSNITZ: Nur mit einem Schlauchboot können sich Feuerwehrleute durch das Zentrum der Stadt in Thüringen bewegen. Die dreckige Brühe der Pleiße hat sich über die 3000-Einwohner-Stadt ergossen. Das Ausmaß der Schäden sei nicht abzusehen, sagt Landrätin Michaele Sojka. „Aber es ist viel, viel schlimmer als das Hochwasser 2002.“ Im Landkreis Altenburger Land herrscht Katastrophenalarm, in etlichen Orten mussten Menschen ihre Häuser verlassen. Für die Betroffenen wird das Ausharren in Notunterkünften zur Geduldsprobe. „Ich konnte nicht wirklich ein Auge zumachen“, erzählt die 22 Jahre alte Mandy Teichmann. Sie versucht in einer Turnhalle in Gößnitz mit Bausteinen, ihren zweijährigen Sohn Leon bei Laune zu halten. „Wo ich wohne, steht das Wasser bis zur ersten Etage. Ich wohne glücklicherweise im zweiten Stock.“