Russland droht bei neuen Sanktionen mit Überflugverbot

Donezk/Kiew (dpa) - Die Waffenruhe in der Ostukraine ist weiter brüchig. In den Städten Donezk und Mariupol waren erneut vereinzelt Schüsse und Explosionen zu hören, wie Bewohner heute berichteten.

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Für neue Spannungen sorgt ein gemeinsames Manöver der USA und der Ukraine im Schwarzen Meer. Russland kritisierte die Übung in der Nachbarschaft zur Ostukraine als „völlig unpassend“. Die Führung in Moskau verlegte den russischen Lenkwaffenkreuzer „Moskwa“ (Moskau) ins Mittelmeer.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko traf am Montag überraschend zu einem Besuch in der Hafenstadt Mariupol ein. Die strategisch wichtige Stadt am Asowschen Meer war zuletzt ins Zentrum der Kämpfe gerückt. Vor Verkündung der Waffenruhe am Freitag hatten ukrainische Regierungstruppen ihre Stellungen verstärkt, als moskautreue Kämpfer mit gepanzerten Fahrzeugen auf die Stadt vorrückten.

Die Europäische Union wollte am Nachmittag über neue Sanktionen gegen Russland entscheiden, das die Separatisten im Kampf gegen die prowestliche ukrainische Führung unterstützt. Moskau drohte mit Gegenmaßnahmen. Denkbar sei ein Überflugverbot für westliche Fluggesellschaften, sagte Regierungschef Dmitri Medwedew der Zeitung „Wedomosti“. „Es ist ein schlechter Weg. Die Sanktionen gegen uns haben nicht zu mehr Frieden in der Ukraine geführt.“

Für die meisten europäischen Fluggesellschaften wäre ein russisches Überflugverbot ein schwerer Schlag. Vor allem für Flüge nach China, Japan und Korea sind die Routen über Russland von zentraler Bedeutung. Müssten Airlines wie Air France, British Airways oder Lufthansa auf südliche Alternativrouten ausweichen, würde dies deutlich länger dauern und die Treibstoffkosten in die Höhe treiben.

Das von den USA und der Ukraine angesetzte Manöver im Schwarzen Meer findet unter scharfem Protest Russlands statt. Ziel der dreitägigen Übung Sea Breeze 2014 sei es, die maritime Sicherheit in einem Krisengebiet zu gewährleisten, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit. An der Übung nehmen auch Kanada, Rumänien, Spanien und die Türkei teil.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Präsident Poroschenko machten sich in einem Telefonat für eine unabhängige Überwachung der Feuerpause in der Ostukraine stark. Trotz vereinzelter Verstöße beteuern Kiew und die moskautreuen Separatisten, sich an die Waffenruhe zu halten. Militärexperten zufolge könnten vereinzelte Provokationen aber von regierungsnahen Freiwilligenbataillonen und Freischärlern in Reihen der Aufständischen kommen.

Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk sagte, er sehe keine andere Möglichkeit als die Verhängung des Ausnahmezustands, sollte die Feuerpause scheitern. In einer Videokonferenz wollten Vertreter Kiews, der Separatisten und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) über die Kontrolle der Waffenruhe sprechen.

Die Separatisten ließen unterdessen wie vereinbart weitere Regierungskämpfer aus der Gefangenschaft frei. Ein vollständiger Gefangenenaustausch ist für diesen Mittwoch geplant.

Bei künftigen Verhandlungen mit Kiew zielen die Separatisten weiter auf einen Sonderstatus ihres Gebiets mit mehr Unabhängigkeitsrechten. Von einer vollständigen Rückkehr der selbst erklärten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk in die Ukraine sei keine Rede, sagte Separatistenführer Andrej Purgin russischen Agenturen zufolge.

Ein Sonderstatus für die Ostukraine ist für die Führung in Kiew nach Einschätzung der Bundesregierung ein „heikler Punkt“, der auch für Poroschenko selbst gefährlich werden könnte. Sollte es dazu kommen, könne dies als Eingeständnis einer Niederlage gewertet werden, sagte der Russland-Beauftragte Gernot Erler (SPD) dem Sender NDR Info.

Seit dem Beginn der Kämpfe in der Ostukraine im April wurden nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 3000 Menschen getötet. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, rief die Ukraine, die Aufständischen und Russland auf, alles für den Schutz von Zivilisten im Konfliktgebiet zu tun.