Russland respektiert Referendum
Moskau (dpa) - Russland respektiert das umstrittene Abspaltungs-Referendum in der Ostukraine. Moskau „achte“ die Willensbekundung der Bevölkerung der Regionen Donezk und Lugansk, teilte der Kreml mit.
Nun müsse die Zentralregierung in Kiew das Ergebnis praktisch umsetzen - „ohne irgendwelche Gewalt und mittels eines Dialogs“. In Lugansk sprachen sich laut der selbst ernannten Wahlkommission knapp 96 Prozent für eine Unabhängigkeit aus, bei einer Wahlbeteiligung von 81 Prozent. In Donezk hieß es, die Zustimmung für eine Selbstständigkeit betrage 89 Prozent. Hier hätten sich knapp 75 Prozent der Abstimmungsberechtigten beteiligt.
Die prowestliche Regierung in Kiew hält das Referendum für rechtswidrig und erkennt die Ergebnisse deshalb nicht an. Die Europäische Union und die USA haben dieselbe Haltung.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte vergangene Woche vergeblich eine Verschiebung der Befragung erbeten. Moskau wünscht sich, dass alle Regionen in der Ukraine mehr Eigenständigkeit erhalten, mit weitreichender Autonomie besonders für die russisch geprägten Regionen im Osten und Süden.
Der ukrainische Interimspräsident Alexander Turtschinow erklärte das Referendum für null und nichtig. „Diese Propaganda-Farce hat keine juristischen Folgen - außer Strafverfahren gegen die Organisatoren.“ Ziel der Initiatoren sei es, die Lage maximal zu destabilisieren, um die ukrainische Präsidentenwahl am 25. Mai zu verhindern.
Turtschinow kündigte zugleich eine Fortsetzung der „Anti-Terror-Operation“ gegen bewaffnete Separatisten und „Banditen“ im Osten an, die im Auftrage Russlands die Bevölkerung tyrannisieren würden. Die Staatsmacht hat nach eigenen Angaben die Kontrolle über die Region verloren.
Auch der Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter, stuft das Referendum als rechtswidrig ein. Es entspreche nicht der Verfassung der Ukraine, sagte er am Rande eines Treffens der EU-Außenminister. Das Referendum könne „die Dinge eher erschweren“.
Die OSZE tut nach seinen Worten alles, damit die Präsidentenwahl in zwei Wochen frei und fair verlaufen könne. Mit 1000 Wahlbeobachtern werde die OSZE-Mission eine der größten in der Geschichte der Organisation sein.
Auch der Kreml betonte die Wichtigkeit der OSZE, die nach wie vor als Vermittler in Frage komme. Zugleich verurteilte die Führung in Moskau den Truppeneinsatz gegen „friedliche Bürger“ in der Ostukraine.
Außenminister Sergej Lawrow schloss neue Verhandlungen Russlands mit der Ukraine, der EU und den USA vorerst aus. Ohne Einbindung der ostukrainischen Regierungsgegner ergäben solche Gespräche derzeit keine Perspektive. Lawrow wies darauf hin, dass seine Kollegen aus Deutschland und den USA, Frank-Walter Steinmeier und John Kerry, ebenfalls einen direkten Dialog der Führung in Kiew mit den prorussischen Kräften befürworten.
Das Auswärtige Amt teilte mit, der ehemalige deutsche Spitzendiplomat Wolfgang Ischinger solle in der Ukraine einen „Runden Tisch“ leiten, mit dem der Dialog der Konfliktparteien wieder in Gang kommen solle. Der 68-Jährige ist Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, einem der wichtigsten Foren zur Außen- und Sicherheitspolitik.
Steinmeier (SPD) reist am Dienstag erneut in die Ukraine: nach Kiew und „abhängig von der Lage“ auch in den Osten oder Süden. Er will nach eigenen Worten in der zugespitzten Lage mit Toten und Verletzten versuchen, „Brücken zu schlagen“. Auch Steinmeier nannte das Referendum „illegal“. Auch Linksfraktionschef Gregor Gysi nahm in Moskau Vermittlungsbemühungen auf.
In Slawjansk lieferten sich Regierungstruppen erneut Gefechte mit prorussischen Kräften. Die Separatisten hätten den Fernsehturm sowie Soldaten mit Granatwerfern beschossen, teilte Innenminister Arsen Awakow bei Facebook mit. Es gebe keine Verletzten. Die Separatisten behaupteten, bei einem Artillerieangriff nahe Slawjansk seien Menschen getötet und Häuser beschädigt worden.