Scharfe, wachsende Proteste gegen Internet- und Telefonüberwachung
Berlin/Redmond (dpa) - Vor dem Hintergrund massiver Vorwürfe wegen Internet- und Telefonspionage wächst der Druck auf die US-Regierung.
Nach Google dringt nun auch Microsoft offiziell darauf, die Zahl der Anfragen von Geheimdiensten nach Nutzerdaten veröffentlichen zu dürfen. Außerdem fordert mittlerweile über eine halbe Million Menschen in einer Kampgane ein Ende der staatlichen Überwachung von Internet und Telefon. Ihr Schlachtruf: „Stop Watching Us“ („Hört auf, uns zu beobachten“).
Am Donnerstag, zwei Wochen nach Beginn der Kampagne, stand der Zähler der digitalen Unterschriften bei über 511 000. Gestartet wurde die Aktion von Mozilla, dem Entwickler des Firefox-Browsers.
Zu den prominentesten Unterzeichnern zählen der chinesische Dissident und Künstler Ai Weiwei, der Web-Vorreiter Tim Berners-Lee und der Schauspieler John Cusack. Auch zahlreiche Bürgerrechtsorganisationen schlossen sich dem Protest an.
In einem offenen Brief auf der Website stopwatching.us wird der US-Kongress aufgefordert, die Überwachung von Internet und Telefon zu stoppen, das Ausmaß offenzulegen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. „Diese Art der pauschalen Datensammelei kratzt an den amerikanischen Grundwerten von Freiheit und Privatsphäre“, heißt es in dem Aufruf. Dadurch würden Eckpfeiler der Verfassung verletzt.
Microsoft stellte derweil einen Antrag zur Offenlegung bei dem Gericht, das die Geheimanfragen unter dem Auslandsspionagegesetz FISA bearbeitet. Der Konzern wolle so die „Fehlinformation“ korrigieren, „dass er der US-Regierung einen direkten Zugang zu seinen Servern gewähre und damit wahllos Daten von Microsoft-Nutzern an die Regierung weitergebe“, heißt es in dem Schreiben vom 19. Juni, das jetzt öffentlich wurde.
Nach den Unterlagen von Ex-Geheimdienstspezialist Edward Snowden arbeitet Microsoft seit 2007 mit dem US-Geheimdienst zusammen. Google, Facebook, Apple und Yahoo wurden ebenfalls genannt. Alle Firmen bestreiten vehement, der US-Regierung einen direkten Draht zu ihren Computersystemen gelegt zu haben. Gleichzeitig forderten sie die Freigabe der Regierung, weitere Informationen zu den bisher streng geheimen Anfragen veröffentlichen zu dürfen.
Vergangene Woche hatte Microsoft bereits allgemeine Informationen zu Regierungsanfragen publiziert. Zwischen Juli und Dezember 2012 hat das Unternehmen demnach zwischen 6000 und 7000 Anfragen staatlicher Stellen nach Nutzerdaten erhalten. Darin sind neben möglichen Geheimanfragen auch alle Aufforderungen von lokalen und überregionalen Polizeibehörden enthalten.
Microsoft und andere Internetkonzerne wie Facebook hatten sich bereits öffentlich für eine stärkere Transparenz ausgesprochen - auch um ihr eigenes Geschäft zu schützen, das auf dem Vertrauen der Nutzer beruht. Deshalb will Microsoft die Zahl der Anfragen unter dem Auslandsspionagegesetz separat veröffentlichen dürfen. Google hatte sich mit derselben Forderung an das Gericht gewandt.
Der Chef des Online-Netzwerkes Twitter forderte ebenfalls mehr Transparenz, obwohl seine Firma nicht mit dem Überwachungsprogramm in Zusammenhang gestellt wurde. Twitter versuche generell, bei „breiten Anfragen“ Widerstand zu leisten, sagte Dick Costolo einem Bericht der „Washington Post“ zufolge bei einer Konferenz. „Wir haben eine prinzipielle Haltung dazu und wir versuchen, diese Linie nicht zu überschreiten.“