Faktencheck Sind Berlin bei türkischen Ministern die Hände gebunden?
Berlin (dpa) - Im Streit um Zulassung oder Verbot von Wahlkampfveranstaltungen türkischer Regierungsvertreter in Deutschland sieht Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) die Bundesregierung rechtlich nicht zuständig.
AUSSAGE: Gabriel sagt, die Kommunen müssten feststellen, ob eine Veranstaltung ohne Störung der öffentlichen Sicherheit ablaufen könne. „Es wäre uns gar nicht rechtlich möglich, eine solche Entscheidung als Bundesregierung zu treffen.“
BEWERTUNG: Richtig, zumindest auf die Veranstaltung bezogen.
FAKTEN: Nach dem Versammlungsgesetz kann eine Veranstaltung nur durch die zuständige Verwaltungsbehörde verboten werden - im Fall der Festhalle in Gaggenau und des Bezirksrathauses Köln-Porz die jeweilige Stadt. Im Zuge der Föderalismusreform im Jahr 2006 ist nach Angaben des Bundesinnenministeriums die Zuständigkeit des Bundes für das Versammlungsrecht auf die Länder übergegangen.
Demnach hat grundsätzlich jeder das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten und an solchen teilzunehmen. Sie können von der Polizei verboten oder aufgelöst werden, wenn verfassungsfeindliche Ziele verfolgt werden, wenn das Treffen einen gewalttätigen Verlauf nimmt oder Gefahr für die Teilnehmer besteht. Bei Versammlungen unter freiem Himmel müssen auch die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedacht werden. Rechtlich nicht untersagt ist, für ein Wahlprogramm zu werben oder die deutsche Politik zu kritisieren. Das Grundgesetz schützt die freie Meinungsäußerung von Ausländern.
Wenn auch nicht die Veranstaltungen an sich, so kann der Bund allerdings den Auftritt türkischer Minister unterbinden. Aus einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom Sommer 2016 geht hervor, dass Berlin entscheidet, ob und unter welchen Bedingungen sich ausländische Regierungsvertreter politisch äußern dürfen.
Der Bielefelder Verfassungsrechtler Christoph Gusy sieht als wirksamste Einflussmöglichkeit der Bundesregierung ein Verbot der Einreise. Der Bund könne abwägen, ob Belange der Bundesrepublik einer Einreise entgegenstehen, ob der innere Frieden vorgehe oder etwa Probleme für die innere Sicherheit zu befürchten seien. Diplomatisch ist es allerdings heikel, die Einreise zu verweigern - gerade mit Blick auf das EU-Flüchtlingsabkommen mit Ankara und den in türkischer U-Haft sitzenden „Welt“-Journalisten Deniz Yücel.
Bei den gestoppten Veranstaltungen in Köln und Gaggenau ging es im Kern um eigene Räume der Städte. Gaggenau nannte als Kriterium für die Absage Platzmangel und Sicherheitsbedenken. Das Rathaus widerrief die Zulassung für die mittlerweile überregional bekannt gewordene Veranstaltung zur Gründung des Vereins der Union europäisch-türkischer Demokraten (UETD) Gaggenau/Rastatt, zu der auch Justizminister Bekir Bozdag anreisen wollte. In Köln hatte für einen Auftritt von Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci kein Mietvertrag vorgelegen.