So funktioniert die neue europäische Bankenaufsicht
Brüssel (dpa) - Monatelang wurde gerungen, nun stehen die Eckpfeiler für eine Bankenaufsicht in Europa. Die EU-Finanzminister haben das Prestigeprojekt einstimmig auf den Weg gebracht.
Geldhäuser in den 17 Euro-Ländern werden künftig streng kontrolliert. Dies soll verhindern, dass Institute mit risikoreichen Geschäften Europa jemals wieder an den Rand des Abgrunds bringen. Das sind die Kernpunkte:
Warum braucht Europa eine zentrale Bankenaufsicht?
Um die Schuldenkrise endlich in den Griff zu bekommen. So begrüßte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Einigung als „großen Schritt zu mehr Verlässlichkeit und Vertrauen in der Eurozone“. Nationale Aufseher haben in der Krise zu häufig ein Auge zugedrückt. Zudem ist sie Voraussetzung, damit marode Banken in Krisenländern künftig direkt den Euro-Rettungsfonds ESM anzapfen können. Bislang müssen Staaten wie Spanien für die Bankenrettung Milliarden ausgeben und geraten in die Schuldenspirale. „Dieser Teufelskreis wird durchbrochen“, erklärten die EU-Finanzminister. Kanzlerin Merkel hatte auf der „Superaufsicht“ bestanden, damit deutsche Steuergelder nicht in Kriseninstituten anderer Länder versickern.
Kommen automatisch alle 6000 Banken unter die neue Aufsicht?
Nein. Das wäre für die Kontrolleure - deren Zahl noch offen ist - auch gar nicht zu schaffen, meint Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): „Das will auch niemand, das weiß auch jeder.“ Die EZB ist zuständig für alle Institute, die öffentliche Finanzhilfe erhalten. Auf deutschen Druck werden zudem nur Europas große, grenzüberschreitenden Institute mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro oder mehr als 20 Prozent der Wirtschaftskraft ihres Heimatlandes direkt kontrolliert. Das betrifft etwa 200 Banken.
Welche Banken gehören in Deutschland dazu?
Die großen Spieler wie Deutsche Bank, Commerzbank und Postbank. Aber auch das genossenschaftliche Zentralinstitut DZ Bank und alle großen Landesbanken fallen darunter. Insgesamt sind es mehr als 30 deutsche Institute. In den Verhandlungen rückte Paris von seiner Forderung ab, alle Banken im Euro-Raum zu umfassen.
Welche Institute fallen durchs Netz?
Sparkassen und Genossenschaftsbanken - sie werden weiter von nationalen Aufsehern überwacht. Damit ist eine zentrale deutsche Forderung erfüllt. Die Besonderheiten der Volksbanken werden beachtet; zuviel Bürokratie bleibt ihnen erspart. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) verlangt aber noch mehr Ausnahmen für Regionalbanken in Europa. „Bei diesen Instituten ist die EZB zu weit weg von den regionalen Märkten und dem jeweiligen Geschäftsmodell“, kritisiert DSGV-Präsident Georg Fahrenschon. Die EZB bekommt das Recht, die Aufsicht über jede Bank an sich zu ziehen, wenn Gefahr droht. Denn die Krise hat gezeigt, dass auch kleine Banken das Finanzsystem in den Abgrund reißen können.
Welche Rechte haben die Aufseher?
Sie erhalten volles Durchgriffsrecht. Sie prüfen die Bilanzen, können Banken durchsuchen lassen, Geldbußen verhängen und ihnen die Banklizenz entziehen. Genau dies fehlte der 2011 geschaffenen EU-Bankenaufsicht EBA in London.
Wer übernimmt die Kontrolle?
Die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main. Dort dürfte auch der Sitz der Aufsicht sein - nachdem zwischendurch Paris im Gespräch war. Minister Schäuble sagt: „Meines Wissens ist der Sitz der EZB in Frankfurt am Main. Und es ist überhaupt nicht darüber diskutiert worden, weil das selbstverständlich ist.“
Wie verhindert man Interessenkonflikte?
Innerhalb der Notenbank EZB werden beide Aufgaben - Geldpolitik und Bankenaufsicht - „strikt getrennt“, steht in der EU-Erklärung. Insbesondere Schäuble hatte auf eine „chinesische Mauer“ gedrängt. Die Bankenaufsicht bekommt einen eigenen Aufsichtsrat, der getrennt vom Direktorium der EZB arbeitet. Darin sitzt je ein Vertreter der beteiligten Staaten. In dem Gremium haben Nicht-Euro-Länder, die sich der Aufsicht anschließen können, gleiches Stimmrecht. In Streitfragen entscheidet ein Vermittlungsausschuss.
Welche Aufgabe haben nationale Aufseher denn überhaupt noch?
Sie arbeiten den EU-Kontrolleuren zu. Außerdem bleiben sie zuständig für Verbraucherschutz, Geldwäsche, Zahlungsverkehr und die Aufsicht über Töchter von nicht-europäischen Banken. Nationale Aufseher sind in Deutschland die Aufsicht BaFin und die Bundesbank.
Welche Staaten machen mit?
Zunächst einmal die 17 Euro-Staaten. Die zehn Nicht-Euro-Länder können sich der EZB-Bankenaufsicht anschließen. Welche das sein werden, ist offen. Schweden beteiligt sich entgegen erster Pläne nicht. Der schwedische Kassenhüter Anders Borg sagte: „Wir glauben nicht, dass es ausreichend Schutzklauseln für die Steuerzahler gibt, damit sie nicht für Fehler in Banken anderer Länder haften müssen.“
Wer sind die Gegner?
Vor allem die Briten - auch wenn sie den Beschluss auf EU-Ebene mitgetragen haben. Sie fürchten, dass die neue Aufsicht ein mächtiger Gegenspieler gegen den wichtigen Finanzplatz London werden könnte. „Wir finden nicht, dass die EZB das Recht haben sollte, in Nicht-Euro-Ländern zu interventieren, etwa bei der Deutschen Bank in London, wenn auch die Bank of England eingreifen könnte“, kritisierte der britische Finanzminister George Osborne.
Wann geht die Bankenaufsicht an den Start ?
Bis zum Frühjahr soll der rechtliche Rahmen auch mit dem Europaparlament vereinbart sein. Im März 2014 soll die EZB die Aufgabe voll übernehmen - später als geplant. Ein Termin, ab wann Banken direkt Hilfen aus dem ESM bekommen können, steht nicht fest. Sollte 2013 ein Geldhaus aber Kredite aus dem ESM beantragen, dann könnte der ESM aufgrund eines einstimmigen Beschlusses der Euro-Länder schon aktiv werden, sagt Schäuble.
Und wie geht es weiter in Europa?
„Das ist ein erster großer Schritt Richtung Bankenunion“, sagt EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Geplant sind ein gemeinsames Rettungssystem zur Abwicklung von Banken sowie gegenseitige Unterstützung bei der Einlagensicherung, um das Vermögen der Kunden auf Privatkonten bei einer Insolvenz der Bank zu schützen. Diese Pläne sind allerdings noch stärker umstritten.