„Starr vor Schock“: Passagiere erzählen
Mannheim (dpa) - Im Mannheimer Hauptbahnhof herrschen am Samstagmittag Ruhe und Gelassenheit. Laut der Anzeigentafel haben nur wenige Züge Verspätung. Kaum etwas erinnert daran, dass es am Abend zuvor fast zu einer Katastrophe gekommen wäre.
Offenbar nur knapp entgingen die Passagiere des Eurocity-Schnellzugs Graz-Saarbrücken am Freitagabend kurz vor 21.00 Uhr bei der Einfahrt in den Mannheimer Hauptbahnhof einer Katastrophe. Der Schnellzug fuhr nach Angaben der Bundespolizei langsam neben einem Güterzug, als einige darauf befestigte Container plötzlich den Eurocity rammten.
„Ich habe den Zusammenstoß zuerst nicht wahrgenommen. Erst als unser Waggon in Schieflage geraten ist, habe ich gemerkt, dass etwas passiert sein musste“, berichtete Harald Geppert der Heidelberger „Rhein-Neckar-Zeitung“ kurz nach dem Unfall. Der 61-Jährige war mit seiner Frau und einem neunjährigen Enkel auf dem Weg von Günzburg nach Trier.
„Als unser Wagen dann umstürzte, brach keine Panik aus und es gab auch kein Geschrei. Alle waren starr vor Schock“, sagte Geppert. Er habe dann sofort seine hinter ihm sitzenden Familienangehörigen versorgt, die beide nach der Befreiung durch die Feuerwehr ins Krankenhaus eingeliefert wurden.
Insgesamt entgleisten fünf Personenwagen des mit 250 Menschen besetzten Zuges, zwei Waggons stürzten um. 35 Menschen mussten nach Mitteilung der Bundespolizei ärztlich betreut werden. Es gab 14 Verletzte, unter ihnen sind vier schwer Verletzte. Lebensgefahr bestehe bei keinem der Beteiligten. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) machte sich am Samstag ein Bild vor Ort. „Wir haben richtig Glück gehabt, dass niemand gestorben ist“, sagte er.
„Für uns ist es ein Rätsel, wie es zu dem Unfall kommen konnte. Wir haben an der Unfallstelle heute Nacht erst mal durchgeatmet, weil nicht mehr passiert ist“, sagte der Einsatzleiter der Bundespolizei Udo Görgen. Die Rettungskräfte hätten sehr gut miteinander zusammen gearbeitet.
Neben den Personenwagen stürzten auch einige Container und die Güterzuglok der Österreichischen Bundesbahnen um, der Lokführer musste unter Schock ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Dispo-Lok sollte den Güterzug von Duisburg in das ungarische Sopron bringen.
Der blaue Containerzug transportierte ebenso zwei Chemikalien-Gefahrgut-Container, die nach Mitteilung der Bahn bei dem Unfall aber nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden. Große Schäden gab es stattdessen am Gleisbett sowie an der Oberleitung und den Signalanlagen.
Der Unfallort wurde gesperrt. Die entgleisten Waggons sollten so lange liegenbleiben, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei am Samstag. Dies könne unter Umständen noch Tage dauern. Im Bahnverkehr kam es wegen gesperrter Gleise am Mannheimer ICE/IC-Knotenpunkt zu geringen Störungen und vereinzelten Zugumleitungen.
Zudem beschäftigt Experten die Frage, warum der Güterzug den Eurocity seitlich rammte. Laut Bundespolizei wird geprüft, ob eine Weiche dabei eine Rolle spielte. Die Bahn-Spezialisten überprüften unter anderem den Betriebsablauf, wie eine Sprecherin der Untersuchungsstelle des Bundes berichtete. Außerdem müsse untersucht werden, ob die Signale und die Fahrzeuge richtig funktionierten. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, hieß es.