Syrer dürfen kommen: London gibt nach - ein bisschen
London (dpa) - Es ist gar nicht lange her, da hatte David Cameron Ärger, weil er von „Menschenschwärmen“ auf dem Mittelmeer sprach. Da regte ihn an den Flüchtlingen, die in Calais, auf der anderen Kanalseite, gestrandet waren, anscheinend am meisten auf, dass ihretwegen britische Urlauber im Stau standen.
Am Mittwoch bestand der Premier noch darauf, es sei keine Lösung, „einfach mehr und mehr“ Menschen aufzunehmen.
Und jetzt? Meint Cameron: „Großbritannien hat eine moralische Verantwortung, Flüchtlingen zu helfen. Wir werden mehr tun.“ Cameron sagt das am Tag, nachdem die Fotos des ertrunkenen Aylan Kurdi die Welt schockiert haben. Die Bilder, die fast jede britische Zeitung auf dem Titel hatte, lösten einen Sturm der Entrüstung aus - auch in dem Land, in dem „Migration“ ein politisches Reizwort ist.
Kaum einer, der nichts zu sagen hatte. Schämen müsse man sich, sagten auch konservative Abgeordnete. „Politisch dumm und moralisch falsch“ verhalte sich die Regierung, urteilte der Chef der Liberaldemokraten, Tim Farron. Labour-Übergangschefin Harriet Harmann schrieb einen Brief an Cameron. Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, geistliches Oberhaupt der Kirche von England, sagte, sein Herz sei gebrochen.
Schließlich kamen auch von Cameron klare Worte. Als Vater fühle er sich „tief bewegt“ vom Anblick des toten Jungen am Strand. Einen Tag später kündigte er an, „Tausende Syrer mehr“ einreisen zu lassen. Er musste handeln. Der Druck war zu groß - nicht nur zu Hause. Verschiedene Länder, darunter Deutschland, hatten schon den Zeigefinger gehoben.
Cameron will EU-Reformen durchdrücken, unter anderem zum Thema Migration, bevor die Briten spätestens 2017 über ihren Verbleib in der Europäischen Union abstimmen. Es schade seiner Verhandlungsposition, wenn sein Land die Last nicht mittrage, heißt es. Aber was hat der Premier jetzt eigentlich angekündigt? Was bedeutet das, dass „Tausende“ kommen dürfen? Wieviele genau?
Eine Sprecherin des Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen sprach am Freitag von 4000 Menschen, was von Camerons Leuten aber nicht bestätigt wurde. Über die vergangenen vier Jahre hat Großbritannien etwa 5000 Syrer aufgenommen. Zum Vergleich: Nach Deutschland kamen allein seit Beginn dieses Jahres mehr als 110 000.
Wichtig auch: Das Angebot richtet sich ausschließlich an Syrer, die noch nicht in Europa sind - also nicht an die Verzweifelten, die sich in Budapest in Züge quetschen oder jetzt zu Fuß mit ihren Kindern Richtung Westen wandern. Nur Menschen aus den Flüchtlingslagern um die syrische Landesgrenze sollen einreisen dürfen. Wie das genau geschehen soll, weiß man auch noch nicht.
So klang das Lob für Cameron, etwa von der Opposition und dem UN-Flüchtlingshilfswerk, auch eher verhalten. Aus Sicht des Premiers hat die Vorsicht aber ihre Berechtigung. Er will nicht zu deutlich mit den anderen EU-Staaten an einem Strang ziehen, denn die Asylpolitik der Union ist Kanonenfutter für die EU-Gegner. Gerade ist Hilfe für Flüchtlinge in Großbritannien nicht nur moralisch, sondern auch politisch geboten. Doch das kann sich ändern.